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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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Laden war bis auf den blanken Stein ausgeräumt. Darüber sollte ich nachdenken. Das hat etwas zu bedeuten.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Holden. »Sagen Sie mir doch einfach, was Sie von mir wollen.«
    »Ich bin nicht verrückt«, erwiderte Miller. »Wenn ich verrückt bin, töten sie mich. Mein Gott, haben sie mich getötet?« Millers Lippen formten ein kleines o, und er atmete tief ein. Die Lippen wurden dunkler, das Blut unter der Haut färbte sich schwarz. Er legte Holden eine Hand, die sich zu schwer und zu massiv anfühlte, auf die Schulter. Es war, als sei Miller aus Eisen statt aus Knochen neu zusammengefügt worden. »Es ist total in die Hose gegangen. Wir kommen da an, aber es ist leer. Der ganze Himmel ist leer.«
    »Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat.«
    Miller beugte sich vor. Sein Atem roch nach Azeton. Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte er Holden an und wollte wissen, ob der ihn verstand.
    »Sie müssen mir helfen«, verlangte Miller. Die Blutgefäße in den Augen hatten sich fast vollständig schwarz gefärbt. »Die wissen, dass ich Dinge finden kann. Die wissen, dass Sie mir helfen.«
    »Sie sind tot«, widersprach Holden. Er hatte es nicht geplant und sich die Worte nicht einmal zurechtgelegt.
    »Alle sind tot«, sagte Miller. Er nahm die Hand von Holdens Schulter und wandte sich ab. Jetzt wirkte er verwirrt. »Beinahe, beinahe.«
    Holdens Terminal summte. Er zog es aus der Tasche. Naomi hatte ihm eine Textnachricht geschickt: BIST DU DA REINGEFALLEN? Holden wollte eine Antwort schreiben, dann fiel ihm ein, dass er keine Ahnung hatte, was er ihr mitteilen wollte.
    Als Miller wieder sprach, klang seine Stimme zaghaft wie die eines Kindes, voller Erstaunen und Verwunderung.
    »Verdammt, es ist passiert«, sagte er.
    »Was ist passiert?«
    Nebenan knallte eine Tür, als ein Gast die benachbarte Kabine betrat, und Miller verschwand. Der Ozongeruch und ein paar flüchtige organische Stoffe, die an einen modrigen Gewürzladen erinnerten, waren der einzige Beweis, dass er vorher da gewesen war. Vielleicht hatte Holden es sich auch nur eingebildet.
    Einen Augenblick stand er reglos da und wartete, dass der Kupfergeschmack aus seinem Mund verschwand. Dass sein Herz wieder normal schlug. So hatte er es nach den Begegnungen immer gehalten. Als er das Schlimmste überstanden hatte, spülte er sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab und rieb sich mit einem weichen Handtuch trocken. Die fernen gedämpften Geräusche des Spielcasinos schwollen zu einem Jubel an. Ein Jackpot.
    Er würde es ihnen nicht sagen. Naomi, Alex, Amos – sie hatten sich ihren Spaß verdient und sollten nicht durch das Wesen, das Miller gewesen war, gestört werden. Holden war bewusst, wie irrational sein Wunsch war, es ihnen zu verschweigen, aber das Gefühl, sie beschützen zu müssen, war so stark, dass er es nicht weiter hinterfragte. Was aus Miller auch geworden war, Holden wollte sich zwischen ihn und die Rosinante stellen.
    Er betrachtete sein Spiegelbild, bis er mit sich zufrieden war. Der unbekümmerte, leicht angetrunkene Kapitän eines erfolgreichen, unabhängigen Schiffs beim Landurlaub. Locker und glücklich. Er kehrte in den Höllenlärm des Casinos zurück.
    Einen Augenblick lang war es, als wäre er in der Zeit rückwärts gesprungen. Die Casinos auf Eros. Die Totenhalle. Die Lichter waren ein wenig zu grell, der Lärm ein wenig zu laut. Holden ging zum Tisch und schenkte sich noch ein Glas ein. Daran konnte er sich erst einmal eine Weile festhalten. Er wollte den Geschmack und die Nacht genießen. Hinter ihm kreischte jemand vor Lachen. Es war nur Lachen.
    Ein paar Minuten später erschien Naomi und trat aus dem Gewimmel und dem Chaos heraus wie die in eine weibliche Form gegossene Heiterkeit. Die halb trunkene, umfassende Liebe, die er vorher empfunden hatte, erwachte wieder, als sie auf ihn zukam. Vier Jahre lang waren sie zusammen auf der Canterbury geflogen, ehe er sich in sie verliebt hatte. Im Rückblick war ihm jeder Morgen, den er mit einer anderen aufgewacht war, ein Morgen, an dem er nicht Naomis Atem gekostet hatte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was er sich damals dabei gedacht hatte. Jetzt rückte er zur Seite, um ihr Platz zu machen.
    »Haben sie dir die Taschen geplündert?«, fragte er.
    »Alex«, erklärte sie. »Sie haben Alex ausgenommen. Ich habe ihm meine Jetons überlassen.«
    »Du bist eine ungeheuer großzügige Frau«, sagte er grinsend.
    Naomis dunkle Augen waren voller
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