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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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wahr?«, sagte Naomi. »Das ist es, was passiert ist.«

2    Bull
    Carlos c de Baca – von seinen Freunden »Bull« genannt – konnte Kapitän Ashford nicht leiden. Er hatte ihn von Anfang an nicht leiden können.
    Der Kapitän war einer dieser Männer, die höhnisch lächeln konnten, ohne überhaupt den Mund zu verziehen. Vor seiner Verpflichtung bei der AAP hatte Ashford auf dem Mondcampus der Boston University einen Abschluss in Mathematik erworben. Er sorgte dafür, dass niemand, der ihn kannte, dies jemals vergaß. Er hielt sich wohl für etwas Besseres als die anderen Gürtler, weil er an einer irdischen Universität erfolgreich studiert hatte. Nicht, dass ihn das davon abhielt, über Leute wie Bull oder Fred herzuziehen, die tatsächlich unten in der Schwerkraftsenke aufgewachsen waren. Ashford war nicht Fisch und nicht Fleisch. Die Art und Weise, wie er sich auf alles stürzte, was ihn besser dastehen ließ – Bildung, die Verbindung zur Erde, die im Gürtel verbrachte Jugend –, machte es den anderen schwer, ihn nicht aufzuziehen.
    »Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle«, meinte Fred Johnson.
    Fred sah beschissen aus. Viel zu schmal. Heutzutage waren alle viel zu schmal, aber Freds dunkle Haut hatte einen aschfahlen Ton bekommen, der Bull an Autoimmunerkrankungen oder unbehandelten Krebs denken ließ. Vielleicht waren es auch nur der Stress, das Alter und die mangelhafte Ernährung. Genau die Sachen, die jeden anderen genauso trafen. Wenn er ehrlich war, musste Bull zugeben, dass er auch selbst ein wenig grau um die Schläfen war, und die verdammten LEDs, die das Sonnenlicht imitieren sollten, konnte er nicht ausstehen. Die Tatsache, dass er immer noch dunkler war als eine Eierschale, hatte er eher seiner haselnussbraunen mexikanischen Mutter als irgendeiner Ultraviolettstrahlung zu verdanken.
    Seit seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr war er draußen im Dunklen unterwegs. Inzwischen war er über vierzig. Fred, sein Vorgesetzter unter zwei verschiedenen Regierungssystemen, war noch älter.
    Vor ihm erstreckte sich das aufwärts geneigte Baugerüst, dessen biegsame Wände glänzten, als seien sie mit Schlangenschuppen verkleidet. Ständig war ein dumpfes Heulen zu hören, denn die Vibrationen der Baumaschinen übertrugen sich über die Streben der Station. Die durch Rotation erzeugte Schwerkraft lag hier ein wenig unter dem Drittel G, das in der eigentlichen Tycho-Station als Standardwert galt. Ashford ließ es sich nicht nehmen, in Gegenwart der Erder ein wenig zu beschleunigen und gleich wieder langsamer zu gehen. Bull wurde ebenfalls ein wenig langsamer, damit der Mann noch ein wenig länger warten musste.
    »Der Zeitfaktor? Wie sieht es damit aus, Colonel?«, fragte Ashford.
    »Nicht so übel, wie es sein könnte«, erwiderte Fred. »Seit der großen Veränderung während des Vorfalls hat sich der Ring nicht mehr gerührt. Niemand ist mehr hindurchgeflogen, und niemand ist herausgekommen. Die Menschen machen sich nicht mehr in die Hosen, sondern sind nur noch sehr aufgeregt. Mars betrachtet die Sache als rein militärische Aktion und als wissenschaftliches Problem. Sie haben ein halbes Dutzend Forschungsschiffe mit hohem Schub auf die Reise geschickt.«
    »Was fliegt als Eskorte mit?«
    »Ein Zerstörer, drei Fregatten«, erklärte Fred. »Die Erde reagiert langsamer, plant aber etwas Größeres. Im nächsten Jahr sind dort Wahlen, und der Generalsekretär bekommt einen Haufen Ärger, weil er zu nachsichtig mit verbrecherischen Firmen umgegangen ist.«
    »Wie das wohl kommt«, sagte Bull trocken. Selbst Ashford lächelte. Nach den Aktionen von Protogen und Mao-Kwikowski waren Ordnung und Stabilität im Sonnensystem weitgehend zerstört. Die Eros-Station war verloren, weil eine außerirdische Technologie sie übernommen und in die Venus gestürzt hatte. Ganymeds Lebensmittelproduktion war auf weniger als ein Viertel des früheren Ausstoßes gesunken, sodass alle Bevölkerungszentren auf den äußeren Planeten auf Reservesysteme für den Ackerbau zurückgreifen mussten. Die Allianz von Erde und Mars war nur noch eine kuriose Erinnerung, wie sie ein Großvater nach dem Genuss von zu viel Bier von sich geben mochte. Die gute alte Zeit, ehe alles zum Teufel gegangen war.
    »Er inszeniert sich«, fuhr Fred fort. »Die Medien, religiöse Anführer, Dichter, Künstler. Sie werden alle hinaus zum Ring geschickt und erregen Aufsehen, damit sich die Feeds nicht mehr auf ihn konzentrieren.«
    »Typisch«,
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