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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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bemerkte Ashford, äußerte sich aber nicht weiter dazu. Typisch für einen Politiker? Typisch für einen Erder? »Was erwartet uns da draußen?«
    Das Baugerüst sang einen Moment, weil ein zufällig entstandener Akkord die ganze Anlage summen und erbeben ließ, bis sich die schweren Dämpfer nachregelten und die Vibrationen unterdrückten, ehe sie einen Schaden anrichten konnten.
    »Bisher wissen wir nur, dass ein Idiot mit hoher Geschwindigkeit in den Ring geflogen und nicht auf der anderen Seite herausgekommen ist«, berichtete Fred. Dabei bewegte er die Hände wie ein Gürtler, um ein Achselzucken anzudeuten. »Im Ring existiert eine physikalische Anomalie. Gut möglich, dass der Ring das Schiff dieses verrückten Burschen gefressen und in irgendetwas verwandelt hat. Der Ring hat eine Menge Gamma- und Röntgenstrahlen abgegeben, aber nicht genug, um einen Ausgleich für die Masse des Schiffs zu schaffen. Vielleicht hat er den Ring zerstört, vielleicht ist ein Tor aufgegangen, und demnächst rückt eine Truppe kleiner grüner Männchen mit fliegenden Untertassen an und verwandelt das Sonnensystem in eine Raststätte.«
    »Was …«, setzte Bull an, doch Ashford kam ihm zuvor.
    »Gibt es bereits Reaktionen von der Venus?«
    »Nichts«, sagte Fred.
    Die Venus war tot. Nachdem die gekaperte Eros-Station durch die Wolken gestürzt war, hatten sich die Augen der Erde jahrelang auf den Planeten gerichtet und zugesehen, wie sich das außerirdische Protomolekül in der gewalttätigen, überhitzten Atmosphäre behauptete. Kilometerhohe Kristalltürme waren gewachsen und zerfallen. Geflechte von Kohlenstofffasern hatten den Planeten überspannt und sich aufgelöst. Die Waffe war gebaut worden, um Milliarden Jahre zuvor primitives Leben auf der Erde zu übernehmen. Stattdessen war sie auf ein komplexes Ökosystem menschlicher Körper gestoßen und hatte deren Bestandteile benutzt, um im giftigen Ofen der Venus zu überleben. Vielleicht hatte es länger gedauert, den Plan auszuführen. Vielleicht war es leichter geworden, weil komplexe Lebensformen zur Verfügung gestanden hatten. Alles wies darauf hin, dass es seine Tätigkeit auf der Venus beendet hatte. Jetzt war nur noch wichtig, dass es einen Ring, der sich selbst zusammenbaute, in die Leere jenseits der Uranus-Laufbahn geschossen hatte. Seitdem schwebte das Objekt dort reglos wie ein Stein.
    Bis jetzt.
    »Was könnten wir schon ändern?«, fragte Bull. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber wir haben nicht gerade die besten Forschungsschiffe, und Erde und Mars haben sich bei Ganymed übel beharkt.«
    »Wir wollen dabei sein«, erklärte Fred. »Wenn Erde und Mars ihre Schiffe schicken, dann schicken wir unsere eigenen. Wenn sie den Ring beanspruchen, erheben wir ebenfalls Ansprüche. Es hat uns große Vorteile gebracht, die äußeren Planeten zu einem ernst zu nehmenden politischen Mitspieler aufzubauen, aber wenn wir jetzt das Feld räumen, könnten wir alles wieder verlieren.«
    »Wollen wir auf jemanden schießen?«, fragte Bull.
    »Hoffentlich kommt es nicht dazu«, erwiderte Fred.
    Die sanfte Steigung des Baugerüsts führte sie zu einer geschwungenen Plattform. In der sternenübersäten Finsternis ragte vor ihnen eine große Ebene aus Stahl und Keramik empor, die von tausend Lampen erhellt wurde. Es war, als betrachtete man eine Landschaft, denn dies war zu gewaltig, um von Menschen gemacht zu sein. Es war wie ein Canyon oder ein Gebirge. Die mit Gras bewachsene Caldera eines toten Vulkans. Aufgrund der gewaltigen Dimensionen konnte man dieses Ding unmöglich als Schiff betrachten, aber genau das war es. Die Baumechs, die über die Flanken kletterten, waren größer als das Haus, in dem Bull als Junge gelebt hatte, wirkten jetzt aber wie Footballspieler auf einem weit entfernten Spielfeld. Die lange, schmale Linie des Kielaufzugs zog sich an der bauchigen Trommel entlang, um das Personal vom Maschinenraum an dem einen bis zur Operationszentrale am anderen Ende zu bringen. Die außen laufende Kabine konnte ein Dutzend Menschen befördern. Von hier aus war sie klein wie ein Sandkörnchen. Auf dem sanft gekrümmten Rumpf saßen unzählige Geschütztürme mit Railguns und aggressiv vorstoßenden Torpedorohren.
    Früher hatte das Schiff den Namen »Nauvoo« getragen. Als Generationenschiff hätte es eine Ladung gläubiger Mormonen mit nichts als einem künstlichen Ökosystem und einem unerschütterlichen Glauben an die göttliche Gnade zu den Sternen tragen sollen.
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