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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Autoren: James S. A. Corey
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Jetzt hieß es »Behemoth« und war das größte und gefährlichste Kriegsschiff im ganzen Sonnensystem. Vier Schlachtschiffe der Donnager-Klasse hätten in seinen Bauch gepasst, ohne die Wände zu berühren. Die Behemoth konnte magnetische Ladungen bis auf einen erheblichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und mehr atomare Torpedos mitführen, als die Allianz der Äußeren Planeten tatsächlich besaß. Ihr Kommunikationslaser war stark genug, um Löcher in Stahlplatten zu brennen, wenn man ihm genug Zeit ließ. Auch ohne aufgemalte Zähne und eine Haifischflosse in der Größe eines Wohnblocks war das Schiff einschüchternd genug.
    Das war auch gut so, denn im Grunde war es ein hastig zusammengestückelter Schrotthaufen und dem Untergang geweiht, falls es wirklich einmal kämpfen musste. Bull warf Ashford einen raschen Blick zu. Der Kapitän reckte stolz und mit funkelnden Augen das Kinn. Bull leckte sich über die Zähne.
    Die Schwerkraft ließ weiter nach, als sie sich lautlos der Behemoth näherten. In der Ferne stieß ein Konstruktionsmech eine sonnenhelle Stichflamme aus und begann mit den Schweißarbeiten.
    »Wie lange noch, bis wir auslaufen können?«, fragte Ashford.
    »Drei Tage«, antwortete Fred.
    »Laut Bericht der Ingenieure ist das Schiff erst in etwa zehn Tagen einsatzbereit«, widersprach Bull. »Wollen wir denn im Flug weiter daran arbeiten?«
    »So war es geplant«, bestätigte Fred.
    »Wenn wir weitere fünf Tage hier warten, die Arbeiten im Dock erledigen und danach etwas stärker beschleunigen, treffen wir immer noch rechtzeitig ein.«
    Ein unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Damit hatte Bull gerechnet, aber irgendjemand musste es ja mal aussprechen.
    »Das Wohlbefinden und die Moral der Crew sind so wichtig wie das Schiff selbst«, antwortete Fred diplomatisch und ein wenig ausweichend. Bull kannte ihn lange genug, um zwischen den Zeilen zu lesen. Die Gürtler mögen keine hohen Beschleunigungen. »Außerdem ist es leichter, die letzten Arbeiten bei niedriger Schwerkraft durchzuführen. Wir haben es gründlich durchgerechnet, Bull. Sie legen in drei Tagen ab.«
    »Ist das ein Problem?«, fragte Ashford.
    Bull setzte das alberne Grinsen auf, das er immer zeigte, wenn er die Wahrheit sagen, sich dafür aber keinen Ärger einhandeln wollte.
    »Wir legen uns mit Erde und Mars an, während der Ring ziemlich unheimliche außerirdische Sachen anstellt. Wir haben eine Crew, die noch nie zusammengearbeitet hat, ein Schiff, das zur Hälfte aus Schrott besteht, und nicht genügend Zeit, um alles richtig festzuschrauben. Natürlich ist das ein Problem, aber mit so was werden wir fertig, also tun wir es auch. Schlimmstenfalls kommen wir eben alle dabei um.«
    »Was für ein aufmunternder Gedanke«, meinte Ashford. Die Worte troffen vor Missbilligung. Bulls Grinsen wurde sogar noch breiter. Er zuckte mit den Achseln.
    »Früher oder später passiert das sowieso.«
    Bulls Quartier auf der Tycho-Station war luxuriös. Vier Räume mit hohen Decken, ein privater Lokus, der sogar über fließendes Wasser verfügte. Nicht einmal als Kind auf der Erde hatte er so komfortabel gelebt. In seiner Kindheit hatte er in einem Wohnviertel in der Neumexikanischen Offenen Zone mit seinen Eltern, der Großmutter, zwei Onkeln, drei Tanten und gefühlten eintausend Cousins zusammengehockt. Mit sechzehn hatte er es abgelehnt, auf Stütze zu gehen, war in den Süden nach Alamogordo umgezogen und hatte seine zwei Jahre Pflichtdienst damit verbracht, alte Solaranlagen aus der guten alten Zeit vor der Fusionsenergie abzureißen. Den Schlafsaal hatte er sich mit zehn anderen Burschen teilen müssen. Er sah sie immer noch vor sich, diese dünnen, drahtigen Kerle, die sich die Hemden ausgezogen oder um den Kopf gewickelt hatten. Er spürte immer noch, so fest wie eine Hand, die Sonne von Neumexiko auf dem Oberkörper, während er in der Strahlung und der Hitze einer unkontrollierten Fusionsreaktion arbeitete, nur durch die Distanz und den weiten blauen Himmel geschützt.
    Als der zweijährige Pflichtdienst abgeleistet war, hatte er es an der Technischen Hochschule versucht, doch die Hormone und der Alkohol hatten ihn zu sehr abgelenkt. Nach Abbruch des Studiums waren ihm außer Militär oder Stütze nicht mehr viele Möglichkeiten übrig geblieben. Er hatte sich für die Laufbahn entschieden, die ihm weniger tödlich vorgekommen war. Bei den Marinesoldaten hatte er nie eine Kabine besessen, die größer gewesen
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