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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Autoren: Karl May
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gelesen?“
    „Nur ich.“
    „Weiter niemand?“
    „Kein Mensch.“
    „Meinst du, daß ich da wieder hinüber soll, Anton?“
    „Ich bin ja gekommen, dich zu holen. Wir werden diese Leni, Gräfin von Senftenberg, ihren Triumph genießen lassen.“
    „Welchen Triumph?“
    „Uns vereint zu haben.“
    „Hat sie das gewollt? Sie warnte mich doch vor dir!“
    „Aus purer, schlauer Berechnung. Die mußt du erst kennenlernen. Sie meint es wirklich herzlich gut mit uns und wird sich freuen, daß ihre kleine Intrige so gut gelungen ist.“
    In kurzer Zeit schwamm das Boot mit den beiden wieder hinüber.
    Dabei kam es mehrere Male bedeutend aus dem richtigen Kurs.
    Leider konnte man vom Ufer aus nicht beobachten, ob Anton nicht richtig zu rudern verstand oder ob er gar die Ruder zuweilen in den Kahn zog, jedenfalls nur, um auszuruhen.
    Dann war das Fahrzeug allerdings der Wellen Spiel. –
    Die kommende Nacht war eine nicht leichte für Leni. Der Sepp war außerordentlich unruhig. Er fand keinen Atem und wurde von einer unbestimmten, aber entsetzlichen Angst gequält.
    Draußen läuteten am Morgen die Pfingstfestglocken, und er lag im Bett, mit jener Angst kämpfend, ohne daß er sie zu besiegen vermochte. Der Arzt kam am Vor- und auch am Nachmittage und erklärte, daß jetzt keine Hoffnung mehr vorhanden sei.
    Gegen Abend fand der Patient eine kurze Ruhe, wurde aber wie durch einen großen Schreck aus derselben gerissen, dann fuhr er ganz plötzlich empor, schaute mit glasigen Augen um sich und fragte:
    „Wo – wo bin ich?“
    „Hier bei mir, lieber Sepp“, ertönte Lenis beruhigende Stimme.
    „Und wo ist der König?“
    „Doch in Berg.“
    „Wann er nur auch dort im Schloß ist und nicht anderswo! Oh, wann ich laufen könnt, wann ich laufen könnt!“
    „Warum?“
    „Ich rannt nach Berg, um zu sagen, daß sie den König nicht heraus lassen sollen, ja nicht in das Wasser.“
    „Welchen Grund hast du?“
    „Weil er versaufen wird, wann er ins Wasser kommt. Ich hab's sehen.“
    „Es hat dir geträumt.“
    „Nein, das war kein Traum. Ich hab nicht schlafen, sondern nur die Augen zu habt und so in mich hineinschaut. Da sah ich den König ins Wasser gehen, tief, tiefer und immer tiefer hinein, bis das Wasser über ihm zusammenschlug und er tot war. Es muß sogleich ein Bote fortgeschickt werden nach Schloß Berg, um den König und seine Leut zu warnen!“
    Und als Leni nicht gleich antwortete, drängte er:
    „Lauf doch, lauf hinab und send den Tobiassen! Er soll aber rennen, damit er nicht zu spät ankommt!“
    Was war zu tun? Leni war natürlich überzeugt, daß es sich nur um einen Traum handle.
    Einen Boten fortsenden, wäre Wahnsinn gewesen, doch um den Kranken zu beruhigen, sagte sie:
    „Ich werde gleich den Tobias schicken. Hast du sonst noch einen Gehorsam gegen den König?“
    „Nein. Wann er nur weiß, daß er nicht ins Wasser soll; dann ist alles gut.“
    Sie ging hinaus und kam nach längerer Zeit wieder und berichtete, daß Tobias fort sei.
    Aber der Patient beschäftigte sich doch unausgesetzt mit Schreckbildern. Er sah den König unaufhörlich in Gefahr und sorgte und ängstigte sich, daß ihm der Schweiß von der Stirn tropfte.
    Es war draußen so mild und duftig, daß das Fenster aufstand. Da auf einmal erklang von der See her der laute Ruf:
    „Warschauer, weißt das Neueste, Schreckliche?“
    „Nein“, antwortete unten der Alte dem Vorüberfahrenden.
    „Der König wird sucht; er ist fort nach dem Wasser zu, und niemand kann ihn finden.“
    Da fuhr der Sepp kerzengrad im Bett empor. Ein Bild des starren Schreckens, rief er aus:
    „Weg, weg ist er! Herrgott, er versäuft, er versäuft. Hilfe, Hilfe, Hilfe!“
    Leni umschlang ihn und zog ihn auf das Lager nieder. Aber er sträubte sich dagegen.
    Der Rest seiner Lebenskräfte war den ihren überlegen.
    Er riß sich los, sprang an das Fenster, streckte den Arm aus und schrie mit der letzten Kraft seiner todkranken Lunge, indem er auf das Wasser deutete:
    „Hilfe, Hilfe, Hilfe! Der König muß ertrinken! Dort geht er in das Wasser! Zieht ihn heraus, schnell, schnell!“
    Dann brach er zusammen.
    Leni vermochte nicht, ihn aufrecht zu halten.
    Alle, die ihn gehört hatten, kamen herbei.
    Er wurde nach dem Bett getragen und schien tot zu sein.
    Aber er lebte noch. Er atmete und bewegte die Lippen.
    Nach einer Weile öffnete er die Augen und sah sich mit hellem, klarem Blick im Kreis um.
    „Da seid ihr ja alle“, sagte er. „Wollt ihr
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