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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Autoren: Karl May
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doch wirklich lächerlich! Die Strafe muß im Gegensatz zu dem Objekt der Sünde stehen. Fehler darf nicht mit Fehler bestraft werden. Übrigens bin ich kein Jurist, kein Psychologe und Philosoph, sondern eine einfache Frau, welche mit ihrem Herzen urteilt und richtet. Gott straft nicht ewig; warum soll der Mensch unversöhnlich sein, zumal mit sich selbst? Willst du denn für immer dem Glücke entsagen, eine liebe Frau an deiner Seite zu haben?“
    „Ja.“
    „So sage mir nur einen einzigen triftigen Grund dazu!“
    „Ich bin eines solchen Glücks nicht wert.“
    „Hör, du hast dich in eine krankhafte Selbsttyrannei verfilzt, aus der du nicht wieder herauszukommen vermagst.“
    „Das ist nichts Krankhaftes!“
    „O doch! Oder ja, magst recht haben, es ist nichts Krankhaftes, sondern etwas noch viel Schlimmeres, sogar etwas sehr Verwerfliches.“
    „So?“
    „Ja, gewiß, mein Lieber.“
    „Nun, was ist es denn?“
    „Der Hochmut, die Selbstsucht, die du schon eingestanden hast. Du denkst, mit ihr gebrochen zu haben, aber das ist nicht wahr. Sie steckt noch heut in dir und zeigt sich nur in einem anderen Gewand.“
    „Das begreife ich nicht.“
    „Ja, dein Hochmut gleicht jetzt dem Wolf, der sich in das Schaffell versteckt, oder dem Heuchler, der eine Frömmigkeit und Demut zur Schau trägt, welche er gar nicht besitzt. Du willst großtun mit deiner Buße, mit der Strenge gegen dich selbst.“
    „Fällt mir nicht ein! Ich spreche ja zu niemandem davon.“
    „Ist gar nicht nötig. Du willst groß tun vor dir selber. Du betrachtest dich im Spiegel und hast Freude über dich, du hältst dich für einen charaktervollen, tüchtigen Menschen. Du sagst zu dir: Anton, du hast gefehlt, darum bestrafst du dich mit unnachsichtiger Strenge, und darum bist du ein tüchtiger Kerl, vor dem du selbst Respekt haben mußt. Ist es so, oder ist es anders?“
    Er schwieg. Er fühlte sich getroffen.
    „Du antwortest nicht. Ich nehme also an, daß du mir wenigstens so leidlich recht gibst. Dein Hochmut steckt noch in dir, du wirst ihn auch nie ganz loswerden, du wirst stets ein wenig hochmütig bleiben, denn das ist eben angeboren; aber bekämpfe diesen Hochmut, dann bist du lobenswert. Kämpfe nicht mit Phantomen, die du dir selbst schaffst, sondern mit deinen wirklichen Fehlern. Während du dich über dich selbst zu freuen gedenkst, peinigst du dich nur und wirst auch ungerecht gegen andere.“
    „Wieso?“
    „Nun, bleiben wir bei unserem Fall! Du willst dich dadurch bestrafen, daß du nicht heiratest. Aber haben deine Eltern nicht das Recht, eine Schwiegertochter und liebe Enkel zu verlangen?“
    Auch jetzt antwortete er nicht.
    „Und ist dein Beginnen nicht unmoralisch? Du entsagst der Ehe, aber wohl nicht auch der Liebe. Gott will, daß die Liebe durch die Ehe geregelt werde. Du aber fliegst von Blume zu Blume und vergeudest die Gaben des Gemüts, mit welchen du ein braves Mädchen glücklichmachen könntest. Oder verursacht es dir einen so hohen moralischen Stolz, von Mädchen zu Mädchen zu gehen, damit die späteren Gatten derselben sich mit dem zufrieden geben sollen, was du verächtlich weggeworfen hast? Anton, du warst früher ein ungerechter Mensch, jetzt bist du gefährlich!“
    Sie standen am Ufer des Sees. Er lehnte am Stamm einer Buche und sah vor sich nieder. Jetzt antwortete er:
    „Leni, früher hättest du mir so etwas nicht sagen dürfen –“
    „Das weiß ich wohl!“
    „Heut aber höre ich dich ruhig an. Das ist doch wohl ein Beweis, daß es mit meinem Hochmut nicht gar so schlimm bestellt sein kann, und –“
    „Halt! Soeben zeigst du diesen Hochmut wieder, indem du dich lobst und ihn verteidigst!“
    Diese Einwendung frappierte ihn. Sie benützte das, indem sie fortfuhr:
    „Ich wiederhole, daß du deinen Eltern die Erfüllung eines ganz natürlichen Herzenswunsches versagst. Und nun denke dich einmal in die Möglichkeit, daß ein gutes, achtbares Mädchen dich liebt und daß du vielleicht gar ihre Liebe erwiderst. Hast du das Recht, ihr das Glück zu versagen, weil du es dir versagst?“
    „Vielleicht doch.“
    „Wieso?“
    „Weil sie mit mir überhaupt nicht glücklich sein würde.“
    „Kannst du das beweisen?“
    „Nein.“
    „So denke keine Dummheiten. Beschäftige dich nur mit Voraussetzungen, aus denen du einen richtigen Schluß folgern kannst. Der beste und allerlogischste Schluß ist aber der: Du liebst sie; sie liebt dich, folglich werden wir miteinander glücklich. Wer das
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