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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Autoren: Karl May
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der Musiken sein. Wollt ihr?“
    Leni konnte nur schluchzen, und auch Anton sprach nicht. Er nickte nur weinend.
    „So ist's recht“, fuhr der Kranke fort. „Und weil die Freunde hier sind, so sollen sie es auch mit hören. Ich will hier sein, ganz allein, und nur die Fremde soll sich bei mir befinden. Ihr andern seid draußen in der Stuben. Anton, geh hinab und laß sie holen. Meine Zithern steckt im Rucksack drin.“
    Anton ging still fort.
    Als er die Tür öffnete, um in die Wohnstube zu treten, blieb er erschrocken stehen. Da stand Marga Siebers vor seinem Bild, unter welchem die beiden Rosen befestigt waren.
    „Marga!“ entfuhr es ihm.
    „Anton!“ antwortete sie erglühend. „Ich wußte nicht, daß Sie hier sind.“
    „Und ich ahnte nicht, daß Sie die Pflegerin sind, die man mir so rühmt. Sie wohnen bei meinen Eltern?“
    „Zufällig. Als ich heut mietete, hatte ich keine Ahnung davon, daß dieses Haus das Ihrige sei.“
    „Der Kranke verlangt nach Ihnen.“
    Er ging, und Marga trat in die Krankenstube. Leni hatte, da die Tür offen gestanden hatte, alles sehen und hören können. Als Marga sich jetzt setzte, fragte sie leise:
    „Sie kennen einander?“
    „Ja.“
    „Von woher?“
    „Er trat in meiner Vaterstadt Hannover auf und wurde mir vorgestellt.“
    „Er – liebt Sie?“
    „Ja“, antwortete Marga, ohne sich zu schämen.
    „Aber unglücklich?“
    „Nein. Unsere Neigung ist gegenseitig.“
    „Das freut mich außerordentlich. Ich gönne ihm dieses Glück von Herzen.“
    Marga schüttelte den Kopf.
    „Er stößt es von sich!“
    „Wieso?“
    „Er sagt, daß er es nicht verdiene.“
    „Warum nicht?“
    „Wegen seiner Vergangenheit.“
    „Ist er so ernst und streng gegen sich selbst geworden?“
    „Außerordentlich. Er hat mir alles erzählt und mir freiwillig gebeichtet.“
    „Auch von mir?“
    „Ja. Sie sind ja die Hauptperson seiner Vergangenheit, und grad daß er Sie so mißachtet hat, das will er dadurch sühnen, daß er das Glück von sich weist.“
    „Das ist zu streng. Ich werde mit ihm sprechen. Er malt sich schwärzer, als er war, Glauben Sie mir das. Er ist stets ein braver Mensch gewesen und ich achte ihn von Herzen. Ich wünsche, daß er glücklich sei. Sehen wir, was ich tun kann!“
    Sie bot Marga die Hand, welche diese warm und freundschaftlich drückte.
    Sepp lag lange in Phantasien. Draußen füllte sich die Stube mit den herbeigerufenen Leuten, welche leise eintraten und ein tiefes Schweigen beobachteten.
    Da kam Anton in das Krankenzimmer, um die Zither aus dem Rucksack zu holen. Dabei erklangen die Saiten leise, ganz leise, aber sofort fuhr der Sepp mit dem Kopf herum.
    „Was ist?“ fragte er. „Das war meine Zithern?“
    „Ja“, antwortete Leni.
    „Sind die Leut alle da?“
    „Ja.“
    „So geh mit hinausi und sing. Die Freundin da mag mir ihre Hand reichen, während ich zuhören tu.“
    Leni verfügte sich zu den andern in die Wohnstube. Die Tür zu derselben wurde nur angelehnt. Es herrschte eine Stimmung, als ob man bereits vor dem offenen Grab stehe.
    Leni nahm sich vor, sich möglichst zu beherrschen. Weinen durfte sie während des Gesangs nicht. Es war das letzte Mal, daß der Sepp ihre Stimme hören sollte.
    Marga hatte die Hand des Kranken ergriffen. Er schien es nicht erwarten zu können, denn er flüsterte:
    „Warum's nur nicht beginnen! Ah, jetzt stimmt der Max Walther die Zithern. Nun wird's gleich losgehen.“
    Walther war wirklich ein Virtuos. Die gegenwärtige Stimmung hatte sich seiner tief bemächtigt, und er gab ihr durch ein Vorspiel Ausdruck, welches ergreifend war. Dann fielen Leni und Anton ein, erst leise, dann ihre Stimmen anschwellen lassend, ohne ihnen aber zu erlauben, sich zur vollen Mächtigkeit zu entfalten:
    „Schon fängt es an zu dämmern,
Der Mond als Hirt erwacht
Und singt den Wolkenlämmern
Ein Lied zur guten Nacht.
Und wie er singt so leise,
Da dringt vom Sternenkreise
Der Schall ins Ohr mir sacht:
Schlaf in Ruh, schlaf in Ruh,
Vorüber der Tag und sein Schall.
Schlaf in Ruh, schlaf in Ruh,
Die Liebe Gottes deckt euch zu!“
    Hätten die beiden diese Strophen in einem Konzert gesungen, sicherlich wäre sie ihnen nicht so meisterlich gelungen wie hier. Der Schmerz war der Dirigent, dem sie gehorchten, und darum waren Worte wie Töne von einem geradezu unbeschreiblichen Eindruck. Dann begann der zweite Vers:
    „Und wie nun alle Kerzen
Erloschen durch die Nacht,
Da schweigen auch die Schmerzen,
Die uns der Tag
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