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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
Autoren: Karl May
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sich morgen früh in mein Geschäfts-Comptoir. Ich werde meinen Kassier beauftragen, Ihnen diese Summe auszuzahlen. In welcher Geldsorte wünschen Sie dieselbe?“
    „In derjenigen, die Ihnen beliebt.“
    „Schön, Signor. Hoffen wir, daß nicht Ihnen selbst die Summe zu bedeutend wird.“
    Er verbeugte sich ironisch und der Sänger entfernte sich.
    Der Baron aber schrieb einige Worte auf eine Visitenkarte und befahl dem Lakai, dieselbe nach der Wohnung des Hauptkassiers zu tragen. Sie enthielt den Befehl:
    „Womöglich noch heute abend für tausend Gulden Kupfermünzen besorgen. Morgen früh Criquolini aushändigen.“
    Darauf kehrte er in den Salon zurück und erzählte halb zornig, halb belustig, über welchen Gegenstand er sich mit dem Sänger habe unterhalten müssen.
    Dieses Vorkommnis vermochte nicht, eine Störung herbeizuführen, besonders da nach kurzer Zeit die Tafel eröffnet wurde und jeder Herr seine Dame zu Tisch führte.
    Der Graf hatte erreicht, daß er Leni neben sich bekam. Er bediente sie mit einer Aufmerksamkeit, als ob sie eine regierende Fürstin sei.
    Natürlich war das Tischgespräch meist auf Musik gerichtet. Leni lobte mit einigen anerkennenden Worten die Fertigkeit, welche der Graf auf dem Klavier gezeigt hatte, und fragte ihn, ob er auch singe.
    „Nur unter zwei Augen“, antwortete er.
    „Das ist sehr wahr“, bestätigte die Kommerzienrätin, welche seine Worte gehört hatte. „Sooft ich Gäste bei mir gesehen habe, ist nach den Künstlervorträgen dann von uns noch privatim ein wenig musiziert und gesungen worden. Der Graf hat sich da nie geweigert, zu spielen; alle unsere Bitten aber, ein Gesangsstück vorzutragen, sind vergeblich gewesen. Wir sind darüber sogar zuweilen in wirklichen Zorn geraten!“
    „Wüßte ich nicht“, antwortete der Graf, „daß Sie nur scherzen, so würde mich Ihr Zorn auf das tiefste berühren, gnädige Frau. Ich habe mich zu singen geweigert, weil ich verhüten wollte, eben diesen Ihren Zorn zu erwecken. Ich befinde mich nämlich in dem unglücklichen Besitz einer Stimme, welche ich unmöglich hören lassen kann.“
    „Wer glaubt Ihnen das? Niemand! Man hat mir sogar im Vertrauen mitgeteilt, daß Sie einen prachtvollen Bariton haben sollen. Wollen Sie das leugnen?“
    „Einen Bariton habe ich, aber was für einen! Wollte ich mich bei Ihnen hören lassen, so würden Ihre gerühmten Salons vollständig in Mißkredit geraten.“
    „Darauf möchte ich es ankommen lassen. Haben Sie Mut, Graf?“
    „Nein. Als Sänger bin ich entsetzlich schüchtern.“
    „Man wird Sie so gut begleiten, daß sie nicht umschütten können.“
    „Oh, in dieser Beziehung habe ich gar keine Sorge, meine Gnädige. Aber meine Stimme klingt gerade so – hm, womit soll ich sie vergleichen? – gerade so, wie ein ungeöltes Wagenrad.“
    „Das wäre höchst interessant. Graf Senftenberg, welcher nur lauter Vorzüge und gar keine Schwächen besitzt, hat eine Stimme, welche er nicht hören lassen kann! Aber nun wollen wir sie gerade hören! Und wenn Sie nicht wollen, so wird man Sie zu zwingen wissen!“
    Sie sagte das in komisch drohendem Ton.
    „Kennen Sie ein solches Zwangsmittel?“ fragte er belustigt.
    „Ja, gewiß.“
    „Warum haben Sie es da nicht bereits schon in Anwendung gebracht?“
    „Weil ich erst heut abend in den Besitz desselben gekommen bin. Es heißt – Signora Ubertinka. Bitte, Signora, unterstützen Sie meine Aufforderung. Er wird ganz gewiß nicht den Mut besitzen, Sie zu erzürnen, indem er ihre Befürwortung nicht beachtet.“
    Aller Augen richteten sich natürlich auf Leni. Sie errötete verlegen und antwortete:
    „Ich muß die Ehre der Fürsprecherin ablehnen, denn ich habe keine Berechtigung, anzunehmen, daß ich die Entschließungen des Herrn Grafen auch nur im geringsten beeinflussen könne.“
    Dabei blieb sie trotz mehrfacher Aufforderungen von auch anderer Seite, ein Verhalten, von welchem der Graf sich sehr befriedigt fühlte, denn er ersah daraus, welch einen feinen Takt, welch Zartgefühl und welche Bescheidenheit Leni besaß.
    Nachdem das Souper eingenommen worden war, wurde allerdings zwischen den einzelnen Tänzen privatim musiziert. Einige Damen und auch Herren ließen sich hören. Die Stimmung wurde so animiert, daß sogar der Sepp Leni fragte, ob sie nicht Lust habe, mit ihm einen echten, bayrischen Jodler zu singen.
    „Willst's wirklich wagen?“ fragte sie ihn unter einem pfiffigen Lächeln.
    „Warum nicht?“
    „Als
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