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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
Autoren: Karl May
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nichts an; ich habe dieselbe für mich eingeladen, nicht aber für Sie. Das gebe ich Ihnen zu bedenken!“
    „Dagegen kann ich nichts haben. Aber warum bin ich nicht auch geladen worden?“
    „Sie sind nicht geladen, sondern nur engagiert. Dazu habe ich meine Gründe.“
    „Besitzen Sie denn da auch den Mut, mir dieselben mitzuteilen?“ fragte er höhnisch.
    „Allerdings! Es gehört kein Mut dazu. Oder meinen Sie etwa, daß ich mich vor Ihnen zu fürchten habe?“
    „Pah! Für einen großen Helden halte ich Sie nicht. Also bitte, die Gründe!“
    „Der Grund ist, daß ich Sie für das halte, was ich Ihnen nicht zu sein scheine, nämlich für einen Helden.“
    „Ah! Wie meinen Sie das?“
    „Sie sind ein Held, aber von einer sehr zweifelhaften Sorte. Sie fallen im Augarten brave Mädchens an und werden dafür von Reitknechten gepeitscht. Und da verlangen Sie, daß ich Ihnen eine Einladung erteile? Ich bin ein aufrichtiger Bewunderer der Kunst und ein Freund der Künstler; aber ich weiß sehr wohl, den Künstler vom Menschen zu unterscheiden. Als Künstler haben Sie für Ihre beiden Lieder unsern Beifall erhalten; als Mensch aber verdienen Sie nicht Applaus, sondern –“
    Er sprach nicht weiter.
    „Fahren Sie fort!“ gebot Anton, einen Schritt näher tretend. „Was verdiene ich als Mensch? Ich will es wissen!“
    „Unsere – Verachtung. Da haben Sie es!“
    Der Sänger fuhr zusammen, richtete sich dann hoch auf, ballte die Faust und rief:
    „Was? Wie war das? Bitte, sagen Sie mir das gefälligst noch einmal!“
    Er ballte drohend die Hand. Der Baron aber antwortete furchtlos:
    „Unsere Verachtung! Nun werden Sie es sich wohl merken können, da ich es Ihnen wiederholt habe.“
    „Mensch – Kerl –! Diese Frech –!“
    „Schweigen Sie!“ donnerte ihn der Baron an. „Noch ein einziges, beleidigendes Wort, so lasse ich Sie hinauswerfen. Machen Sie sich davon! Ich dulde ein Subjekt, wie Sie sind, keinen Augenblick länger in meinem Haus!“
    Der Sänger machte Miene, ihn anzufassen, konnte diese Absicht aber nicht ausführen. Die Unterredung war so laut geführt worden, daß man die zornigen Stimmen der beiden auch in den Salons und dem Korridor hörte. Mehrere Diener waren herbeigeeilt und drängten Anton von ihrem Herrn ab.
    „Hinauswerfen wollen Sie mich!“ knirschte der Sänger. „Ah, das soll ganz Wien erfahren. Ich werde dafür sorgen, daß sie bei sämtlichen Künstlern der Hauptstadt in Verruf geraten. Kein einziger derselben soll mehr Ihre Schwelle überschreiten!“
    „Darüber würde ich mich gar nicht wundern, da Sie hier gewesen sind. Man kann von achtbaren Künstlern freilich nicht verlangen, daß sie da verkehren, wo sich ein rüder Mädchenjäger aufgehalten hat. Übrigens kann es mir nur zur Ehre gereichen, von Ihnen in Verruf erklärt zu werden. Und nun sind wir miteinander fertig. Gehen Sie!“
    Anton lachte laut auf.
    „Ja, ich gehe“, antwortete er, „sonst muß ich gewärtig sein, von Ihnen engagiert und nachher wegen Hausfriedensbruch angeklagt zu werden. Aber bevor ich mich entferne, haben wir noch etwas Nötiges abzumachen.“
    „Ich wüßte nicht, was das sein könnte!“
    „Etwas rein Geschäftliches allerdings, nämlich meine kleine Rechnung.“
    „Ah, schön!“ sagte der Baron verächtlich. „Sie sind ja Mietling und müssen natürlich bezahlt werden. Also bitte, wie hoch beläuft sich Ihr Honorar?“
    „Sie zahlen natürlich den mir geläufigen Preis, fünfhundert Gulden pro Lied; das macht also tausend Gulden.“
    „Tau – send – Gul – den?“ fragte der Baron, dem der Mund offen stehen bleiben wollte. „Sind Sie toll, mein Herr?“
    „Nein, gar nicht. Dieses Honorar ist sogar sehr zivil bemessen, da Sie ja eingestandenermaßen genau wissen, was ein Künstler zu bedeuten hat.“
    „So meinen Sie wirklich, daß Ihre beiden Vorträge diese Summe wert sind?“
    „Gewiß! Ich kann Ihnen nachweisen, daß ich in Amerika ganz so bezahlt worden bin. Und heut am Vormittage haben Sie mir gesagt, daß meine Rechnung beglichen werden soll. Hätten Sie mich geladen und nicht ‚gemietet‘, wie Sie sich auszudrücken beliebten, so hätte ich gratis gesungen, und Ihnen wären tausend Gulden erspart geblieben. Oder wünschen Sie, daß ich diese Honorarforderung einklage?“
    Er sagte das in wahrhaft giftiger Weise. Der Kommerzienrat antwortete sogleich:
    „Nein. Ein Baron von Hamberger läßt sich von einem Criquolini nicht verklagen. Verfügen Sie
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