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69

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Titel: 69
Autoren: Ryu Murakami
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aber ziemlich gesund aus.« Dann schlug er sich auf die Brust und sagte: »Egal, überlass das nur mir. Ich bezahle die Operation.« »Wir brauchen Ihr Geld nicht«, erklärte ich. »Meine Schwester wird nicht Ihre Geliebte, und mehr habe ich nicht zu sagen.« Seine Assistenten wurden sauer, und sie fingen an rumzuschreien, und zwei von ihnen zogen Messer aus dem Gürtel. Ich stellte mich vor die Frau, um sie zu schützen, und sagte: »Wenn Sie jemanden töten wollen, dann töten Sie mich.« Dann erzählte ich ihnen irgendwelches Zeug, dass unsere Eltern geschieden seien und wir von unserer Großmutter aufgezogen würden und die sei vor vier Jahren gestorben und nun gebe es nur noch meine Schwester und mich und wir hätten uns geschworen, zusammen durch dick und dünn zu gehen, und irgendwann würden wir einen Weg finden, um glücklich zu sein, komme, was da wolle. Wie sich herausstellte, war der Yakuza tief im Inneren ein ziemlicher Softie, und als ich fertig war, standen ihm die Tränen in den Augen, und er murmelte: »Okay, du hast gewonnen.« Die Frau war hin und weg. Wir feierten das Ganze mit einem Vier-Gänge-Menü in einem französischen Restaurant, bei dem sie mir Rotwein eingoss und flüsterte: »Du bist wirklich ein Kerl, weißt du das?« Danach nahm sie mich mit nach Hause. Es war eine große, offene Eigentumswohnung, so eine, wie man sie im Kino sieht, mit einem riesigen Bett genau in der Mitte. Die Frau kicherte und sagte: »Ich dusche kurz. Lauf nicht weg!«, und verschwand im Badezimmer. Ich redete mir selbst gut zu: »Cool bleiben, cool bleiben«, aber ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte, und saß einfach nur da und machte den Reißverschluss meiner Hose auf und zu. Plötzlich kam sie in einem schwarzen, durchsichtigen Negligé zurück und sagte: »Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir bin. Heute Nacht gehöre ich dir allein ... ich weiß, das ist nicht genug ... deswegen sollst du auch den Jaguar haben ... er passt perfekt zu dir.« Wenigstens war das die Geschichte, die ich meinen Freunden erzählte, als ich zurückkam. Die Wahrheit sah ein bisschen anders aus. Das erste, was ich in Hakata tat, war, eine Dreier-Karte für ein Pornokino zu kaufen. Dann, nach einer Schale Nudeln mit ein wenig gebratenem Schweinefleisch, ging ich in eine Strip-Show in einem dieser Loch-in-der-Wand-Schuppen. Es war ein Uhr nachts, als ich da rauskam, und als ich ein Stückchen den Fluss runter ging, trat eine ältliche Zuhälterin auf mich zu und fragte: »Möchtest du dein Rohr geputzt haben, mein Sohn?« Ich gab der alten Fregatte 3 000 Yen, und sie nahm mich mit zu einem düsteren kleinen Hotel, wo eine Frau mit dunklen Ringen um die Augen, die wie ein Waschbär aussah, »Guten Aaabend« rief. Während ich den runden Bauch des Waschbären betrachtete, musste ich an meine Mutter denken, die in diesem Moment tränenüberströmt dasaß und sich Sorgen um mich machte. Ich fühlte mich genauso zum Heulen, und plötzlich erschien der Verlust meiner Jungfräulichkeit nicht mehr so wichtig, aber ich ließ mir von dem Waschbären beim Ausziehen helfen. Sie hatte es offensichtlich eilig, mit der Sache fertig zu werden, aber ich bekam ihn nicht hoch. »Das hat keinen Zweck«, sagte sie schließlich, »ich mach’ die Beine breit und lass’ dich gucken, dann kannst du es dir selbst machen.« Es war das erste Mal, dass ich das sah, was sie mir zeigte. Es war nichts Großartiges. Nicht so großartig wie die 10 000 Yen, die sie mir abknöpfte, als ich sagte, sie solle es einpacken. Ich verließ den Ort in tiefer Verzweiflung und ging wieder am Fluss entlang. Die Hälfte meines Geldes war weg, also beschloss ich, lieber im Wartesaal des Bahnhofs zu schlafen als in einem billigen Hotel. Ich fragte einen Typen mit Anzug und Krawatte, der wie ein Gehaltsempfänger aussah, nach dem Weg zum Bahnhof. Als ich ihm sagte, dass ich dort schlafen wollte, bot er mir an, in seinem Apartment zu übernachten. Ich fühlte mich ziemlich elend, und es war schön, dass jemand nett zu mir war, und so ging ich mit ihm. Als wir dort ankamen, machte er mir ein Cornedbeef-Sandwich, was ich sehr gern annahm, aber wie man sich schon fast denken konnte, hatte ich plötzlich seine Hand an meinem Hosenlatz, und er versuchte, mich auf die Lippen zu küssen, und flüsterte: »Du hast doch nichts dagegen, oder?« Ich geriet in eine blöde Sache nach der anderen, und ich hatte genug. Ich griff in meine Tasche, zog ein Taschenmesser heraus und rammte
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