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69

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Titel: 69
Autoren: Ryu Murakami
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ich mich vergraben hatte, um an meinem zweiten Buch zu schreiben. Jetzt ist es nicht mehr so, aber damals war mir unbehaglich, als ich ihn wiedersah. Da ich plötzlich berühmt geworden war, stand ich unter einem ziemlichen Druck, und ich konnte mir nicht helfen, aber ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, wieder in dieses verrückte Leben hineingezogen zu werden, das wir vorher geführt hatten. Wir hatten uns kaum etwas zu sagen. Adama trank eine Tasse von dem lauwarmen Kaffee, den ich in einer Thermoskanne auf dem Zimmer hatte, und ging dann wieder. Als ich später selbst eine Tasse davon probierte, kam ich mir vor wie ein totaler Dreckskerl, weil ich einem Freund, mit dem ich mein siebzehntes Lebensjahr verbracht hatte, einen derart lausigen Kaffee angeboten hatte.

    Fuku-chan, der Bassist und Sänger von Coelacanth, lebt jetzt auch in Fukuoka. Er hat da einen Plattenladen, der auf Jazz spezialisiert ist, und ist manchmal auch Mitveranstalter von Konzerten. Wenn eine gute Salsa- oder Reggae-Platte neu herauskommt, schickt er mir immer eine. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, singen wir zusammen Lieder von Janis Joplin, und wenn wir den Text vergessen haben, wird es immer noch »don’tcha know, don’tcha know«.

    Es ist Jahre her, seit ich von Otaki und Narushima, den Führern des Vereinigten Campus Aktions Komitees der Nördlichen Oberschule, gehört habe, aber als ich zum ersten Mal in Tokio war, nachdem ich die staatliche Schulabschlussprüfung gemacht hatte und auf einer Uni in der Stadt angenommen worden war, besuchte ich sie in ihrem Studentenwohnheim. Überall in ihrem Zimmer waren Helme und Holzstöcke und Flugblätter verstreut, und mittendrin ein Mädchen in einer Bluse und Jeans und ohne Make-up. Wir hörten uns einige Protestsongs an und aßen einen Becher Instantnudeln.

    Yuji Shirokushi, der Ober-Pomadenkopf, wurde Arzt. Ich habe ihn einmal getroffen, als er noch auf der Medizinischen Hochschule war. Er erzählte, dass sich von den ganzen Barmädchen und Stripperinnen in den Schuppen, in denen er verkehrte, bis jetzt nur zwei geweigert hätten, die Nacht mit ihm zu verbringen, nachdem er ihnen seinen Studentenausweis gezeigt hatte.

    Die Nymphe Yumi »Ann-Margret« Sato ist glücklich verheiratet und lebt, soweit ich weiß, noch in Sasebo.

    Während der ersten Zeit in Tokio traf ich mich zunächst häufig mit Iwase, aber in den letzten paar Jahren habe ich den Kontakt zu ihm verloren. Jemand hat mir erzählt, dass er in einem Striptease-Schuppen in der Innenstadt Gitarre spielt und singt, aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Damals lebte er mit einem Mädchen zusammen, das Malerin werden wollte, aber als ich ihn das letzte Mal sah, sagte er, dass sie sich getrennt hätten.

    Mie Nagayama wurde Kosmetikerin.

    Sasaki, der Polizeibeamte, der mich verhört hatte, schickt mir immer eine Karte zu Neujahr:
    »Frohes neues Jahr. Die jugendlichen Straftäter haben heutzutage nichts Liebenswertes mehr an sich ...«

    »Pickelgesicht«, der Anführer der Gang an der Technischen Oberschule, verlor vier Finger seiner rechten Hand in einer Hydraulikpresse, als er bei Sasebo Heavy Industries arbeitete. Er hat Kendo aufgegeben.

    Der dunkelhäutige Yakuza ist auf den rechten Weg zurückgekehrt und hat ein Café in Sasebo. Mein Autogramm hängt dort eingerahmt an einer Wand.

    Kawasaki und Aihara, die beiden Sportlehrer, haben Jobs an anderen Schulen angenommen und leben nicht mehr in Sasebo.

    Mein Klassenlehrer, Matsunaga, verließ die Nördliche Oberschule, um irgendwo an einer Mädchenschule zu unterrichten. Neulich hat er im gleichen Ton mit mir geschimpft, den er immer anschlug, als ich noch ein Schüler war: »Yazaki, lass dir die Haare schneiden. Du siehst abscheulich aus.«

    Der stellvertretende Vorsitzende der Schülervertretung - der Kerl, der mich nach der Barrikade am Kragen gepackt und der den ganzen Tag geheult hatte - trat der Roten Armee Fraktion bei, als er an der Universität von Kyoto war, und wurde später in Singapur verhaftet.

    Nakamura, die »Kacka«-Berühmtheit, arbeitet jetzt als PR-Mann in Nagasaki. Er ist mir mal über den Weg gelaufen, als ich dort war, um einen Vortrag zu halten. Er hatte die monatlichen Fortsetzungen meines Romans in einer Zeitschrift gelesen und meinte: »Ich hatte immer Angst, dass du irgendwann einmal über diese Geschichte schreiben würdest, und jetzt hast du es wirklich getan, nicht?« Er wirkte erfreut.

    Meine Liebesaffäre mit dem Engel
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