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69

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Titel: 69
Autoren: Ryu Murakami
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hinunter, die unter seinem Arm zappelten und raschelten.
    »Ken ...«
    »Nein, wirklich, Mann, ich wollte dich einladen und ...«
    »Vergiss es. Ich wollte sagen, weißt du noch, wie einsam diese Hühner aussahen?«
    Er dachte an die zwanzig Vögel, die allein in einer Ecke zusammengedrängt hockten: Brathühner, die in einem vollgestopften Schuppen zwangsernährt wurden. Egal, ob man Huhn oder Mensch ist, man muss nur ein bisschen Widerstandsgeist zeigen, und schon ist man ganz allein.
    »Wenn das Festival vorbei ist, können wir sie doch irgendwo in den Bergen freilassen, anstatt sie an einen Metzger zu verkaufen oder so«, sagte er schließlich, wobei er immer noch auf die Säcke starrte.

    Am schönen, klaren Tag des Erntedankfestes versammelten sich fast fünfhundert Schüler in der Arbeiterhalle.
    Otaki, Narushima und die anderen Mitglieder des ehemaligen VCA-Komitees der Nördlichen Oberschule standen am Eingang und verteilten »Nieder mit der Abschlussfeier«-Flugblätter und setzten hin und wieder Helme auf und hielten Reden. Yuji Shirokushi und seine Pomadenköpfe, die Haare steif vom Haargel, trugen Sportjacken, standen mit ihren Miezen von Junwa und anderswo herum und ließen Viertelliterflaschen mit billigem Whisky kreisen. Die Mädchen trugen ganz unterschiedliche Kleidung. Viele von ihnen hatten ihre Schuluniform an, aber man sah auch lackierte Fingernägel und Lippenstift, enge Kleider, Faltenröcke, Kleider mit Blumenmuster, rosa Strickjacken und Jeans ...
    Iwase verkaufte vervielfältigte Blätter mit einer Sammlung seiner Gedichte für zehn Yen das Stück. Er hatte nie einem von uns verraten, dass er Gedichte schrieb. Die Gang von der Technischen Oberschule tauchte auf, zweifellos um ein Auge auf Mie Nagayama zu haben, aber ohne ihre Schwerter. Da sie Hardboys waren, stieg ihnen die Hitze ins Gesicht, und sie liefen rot an, als ein Mädchen von Yamate, zwischen dessen purpurroten Fingernägeln eine Zigarette baumelte, auf sie zukam und versuchte, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Vier schwarze GIs fragten, ob sie hereinkommen dürften, und ich ließ sie durch. Auf Festivals war alles erlaubt - bis auf Mord vielleicht. Der Besitzer des Four Beat war da und die Serviererin aus dem Boulevard mit einem Blumenstrauß für Adama. Die Mädchen vom English Drama Club schleppten ungefähr eine Million Luftballons an und füllten die Halle damit, und der dunkelhäutige Yakuza, der unser Problem mit Pickelgesicht aus der Welt geschafft hatte, kam mit einem Handkarren und zwei Komplizen und verkaufte der Menschenmenge Gegrilltes.
    Mie Nagayama ging auf die Bühne, während das dritte Brandenburgische Konzert über die Anlage dröhnte. Sie trug ihr Negligé über einem Badeanzug und erhob eine Axt gegen einige Plakate, auf denen die Gesichter des Premierministers und Lyndon Johnsons und das Hauptportal der Universität von Tokio abgebildet waren. Coelacanth begannen ihren Auftritt mit Led Zeppelins Whole Lotta Love. Fuku-chan sang wie gewöhnlich: »Don’tcha know, don’tcha know«, wieder und wieder. Ann-Margret fing als Erste an zu tanzen und ließ die gewaltigen Hügel in ihrer Bluse hüpfen und wippen. Die schwarzen GIs pfiffen bei ihrem Anblick. Mie Nagayama fing auch an zu tanzen, jetzt mit ihrer üblichen hautengen schwarzen Satinhose bekleidet. Ich richtete Scheinwerfer auf die beiden, und Mies Silberlamé-Bluse glitzerte und glänzte. Immer mehr Leute schlossen sich ihnen an, als würden sie von dem Glitzern angezogen, und als der Kreis der Tänzer wuchs, begannen die Ballons zu platzen. Coelacanth spielten drei Nummern, und zwischen den Auftritten führten wir das Stück auf und zeigten den Film. Iwase grinste und wurde rot, als eine Nahaufnahme von seinem Gesicht auf der Leinwand auftauchte. Mein Yakuza-Freund kam auf mich zu und sagte, er könne den Film echt nicht verstehen, aber er ging nicht raus. Tatsächlich ging niemand raus. Während der ganzen Zeit saß der Engel direkt neben mir. Bei ihrem zweiten Auftritt spielten Coelacanth As Tears Go By, und der Engel und ich standen uns gegenüber, schauten uns in die Augen und bewegten uns zur Musik.

    Nach einem Festessen mit Fleischklößchen, Bier und wildem Gelächter richtete Adama es so ein, dass Lady Jane und ich unauffällig verschwinden und einen Spaziergang am Fluss machen konnten. Als Entschädigung für das Essen bei Kerzenlicht, um das er uns gebracht hatte, bot er uns einen traulichen Spaziergang an einem Herbstabend. Das Mondlicht
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