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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Autoren: Karl May
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uns zu kennen. Ich gehe als Erzieher nach Ortry, und für dich wird sich in der Nähe ein Plätzchen finden lassen, wo du mir zur Disposition stehen kannst, ohne daß deine Anwesenheit auffällig erscheint oder Mißtrauen erweckt. Fang jetzt an!“
    Eine Stunde später verließ ein Mann auf der Kirchberger Straße die Stadt Simmern, den man auf den ersten Blick für einen Jünger der Erziehungskunst halten mußte. Seine früher hohe Gestalt war – wohl vom vielen Studieren – vornüber gebeugt und steckte in einem engen, ziemlich verschossenen, aber sehr reinlich gehaltenen Anzug. Der Mann war bucklig, doch nahm ihm dieser bedauerliche Zustand nichts von der Würde seines Berufes, welche seinem ganzen Wesen sichtlich aufgeprägt war. Sein schwarzes, bereits spärliches Haar fiel lang bis auf den Kragen eines Fracks herab, der vor zwanzig Jahren einmal in der Mode gewesen war. Der Zylinderhut auf seinem Kopfe und der graublaue Regenschirm unter seinem Arm waren gewiß langjährige Gefährten dieses Fracks, und das einfache Messinggestell der großglasigen blauen Brille schien auch nicht kürzere Zeit auf dem Nasenrücken ihres Eigentümers gethront zu haben.
    Nach einiger Zeit wurde dieser Mann von einer unbesetzten Equipage eingeholt, und der Kutscher hatte die Freundlichkeit, den Mann als nicht zahlenden Passagier aufsteigen zu lassen.
    Sie erreichten Kirchberg, fuhren, ohne anzuhalten, durch diesen Ort und kamen in der Abenddämmerung an ein Dorf, vor welchem der Gast ausstieg. Er ging durch das Dorf und kam an ein kleines Wäldchen, in welchem er wartete, bis nach einer halben Stunde der Kutscher wieder zu ihm stieß, dieses Mal jedoch zu Fuß gehend.
    „Alles in Ordnung?“ fragte der Mann.
    „Ja, Herr Rittmeister!“
    „Pst, laß den Rittmeister jetzt beiseite! Du kennst mich jetzt gar nicht, und wenn wir uns später sprechen, bin ich für dich nur der Doktor der Philosophie Andreas Müller. Verstanden?“
    „Sehr wohl, Herr Doktor!“
    „So komm!“
    Sie wanderten miteinander durch die einbrechende Nacht und erreichten Trarbach kurz vor neun Uhr abends. Hier trennten sie sich, um jeder einen anderen Gasthof aufzusuchen. Da beide nicht bekannt hier waren, mußten sie die Wirtshäuser erst erfragen. Doktor Müller traf einen Mann, welcher auf seine Frage ihm zur Antwort gab:
    „Kommen Sie, ich werde Sie führen, denn ich gehe ein Glas Wein trinken, unser Weg ist also derselbe. Große Ansprüche werden Sie allerdings nicht machen können, denn heute hat das Schiff aus Koblenz hier angelegt, und es sind viele Reisende hier ausgestiegen, welche natürlich die besten Zimmer besetzt haben.“
    Müller fand die Wahrheit dieser Worte bestätigt. Es gelang ihm zwar, noch einen Platz zu erhalten, doch lag der Raum hoch unter dem Dach, woraus er sich freilich nicht viel machte.
    Die Gaststube, in welcher er sein Abendbrot einnahm, war ziemlich geräumig. Es befand sich da ein Billard, an welchem die französischen Herren spielten, welche mit dem Dampfer angekommen waren. Sie traten hier ebenso laut und rücksichtslos auf, wie auf dem Fahrzeug, und taten, als ob außer ihnen niemand zugegen sei. Auch der Oberst befand sich noch bei ihnen. Er war jetzt der Übermütigste von allen. Er hatte sich der Baronesse vorgestellt und ihre Seite nicht eher wieder verlassen, als bis er ihr die besten Zimmer dieses Hauses hatte zur Verfügung stellen können. Sie hatte ihn vollständig bezaubert. Er befand sich in einer Art von Rausch und hätte, voll Glück, eine solche Braut zu besitzen, die größte Tollheit begehen können.
    Marion war höchst überrascht gewesen, als er ihr seinen Namen genannt hatte. Ihre erste, augenblickliche Regung war gewesen, ihn abweisend zu behandeln, um sich gleich von vornherein ihre Freiheit zu bewahren, doch war er so tadellos, so ausgezeichnet courtois gewesen, daß sie es für ganz unmöglich gefunden hatte, die schickliche Höflichkeit außer acht zu lassen. Er hatte mit keiner Silbe des Verhältnisses erwähnt, in welches sie zueinander treten sollten, er hatte nicht in der leisesten Weise merken lassen, daß er sich die Erlaubnis nehmen könnte, zu ihr anders als zu einer vollständig fremden Dame zu sprechen, und so hatte sie ihm keine abschlägige Antwort geben können, als er sie gebeten hatte, ihr später gute Nacht sagen zu dürfen. Er war schön, er war im höchsten Grad galant; sie fühlte keine Abneigung gegen ihn und beschloß, erst dann Stellung für oder gegen ihn zu nehmen,
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