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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Autoren: Karl May
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und ein jüngerer, am Tisch eines niedrigen Zimmers, um ihren Kaffee zu trinken. Ihre Mienen zeigten dabei keineswegs jene Behaglichkeit, mit welcher man sich dem Genuß des braunen Mockatrunks hinzugeben pflegt; es schien vielmehr, als sei die Unterhaltung, welche sie führten, auf einen sehr ernsten Gegenstand gerichtet.
    Beide waren Offiziere, und beide trugen Uniformen, der ältere die eines Generals und der jüngere, welcher vielleicht achtundzwanzig Jahre zählen mochte, die eines Ulanenrittmeisters.
    Dieser letztere war ein ausgezeichnet schöner Mann. Obgleich er auf einem tiefen Polstersessel ruhte, erkannte man doch seine hohe, breitschultrige, höchst ebenmäßige Gestalt. Sein von einem vollen blonden Bart umrahmtes Gesicht war von einem weichen, aber doch edlen, männlichen Schnitt. Aus seinen blauen, treuherzigen Augen blickte jene Gutmütigkeit, welche riesenhaft gebauten Menschen eigen zu sein pflegt; doch lag auf der Stirn eine unermüdliche Willensfestigkeit und Energie, und unter den Spitzen des Schnurrbartes versteckte sich ein leiser, schalkhafter Zug, welcher widerwillig einzugestehen schien, daß der ausgesprochenen Gutmütigkeit unter Umständen eine ganz hinreichende Menge von Verschlagenheit und Berechnungsgabe zu Gebote stehen könne.
    „Also, lieber Königsau, Ihre Instruktion haben Sie begriffen?“ fragte der General.
    „Sie ist nicht sehr schwer zu verstehen, Exzellenz“, antwortete der Gefragte.
    „Sehr wohl! Den Feldzugsplan müssen Sie selbst entwerfen. Ich kann Ihnen dies ohne Furcht überlassen, da ich weiß, was für ein gewandter Taktiker Sie sind. Es bleibt mir also nur noch übrig, Ihnen die Namen zu nennen. Wollen Sie sich dieselben notieren?“
    Der Rittmeister zog eine Brieftasche hervor, dann fuhr der General fort:
    „Der Liebling Napoleons, von welchem ich sprach, ist der Graf Rallion, und der Vertraute des Kriegsministers Leboeuf, den ich Ihnen bezeichnete, ist der Baron von Sainte-Marie. Der Graf hat einen Sohn und der Baron eine Tochter; die beiden letzteren kennen sich noch nicht, sollen sich aber heiraten. Sie werden in Ortry unweit der Luxemburger Grenze in der Nähe von Thionville zusammentreffen. Ortry gehört dem Baron. Dieser hat aus der Ehe mit seiner zweiten Frau einen Knaben, den seine Lehrer leidlich verwahrlost haben; darum engagiert der Baron einen deutschen Präzeptor für den Jungen, und dieser Lehrer sollen Sie sein.“
    „Unter welchem Namen, Exzellenz?“
    „Hier ist Ihre Legitimation, und hier sind auch Empfehlungsbriefe. Es wird ganz auf Sie ankommen, ob Sie Erfolg haben werden. Übrigens haben wir bereits für alles gesorgt, sogar für Photographien der betreffenden Personen, damit Sie sich im voraus zu orientieren vermögen.“
    Er nahm aus der Brieftasche, aus welcher er bereits die Empfehlungsbriefe und die Legitimation gegeben hatte, mehrere Photographien und legte sie dem Rittmeister einzeln vor.
    „Hier“, fuhr er fort, „haben Sie das Brustbild des Grafen Rallion; hier ist sein Sohn, der Oberst; ferner sehen Sie hier den Baron de Sainte-Marie; dies ist sein Junge; der Schlingel sieht nach gar nichts Gutem aus. Desto größeren Eindruck macht seine Stiefschwester Baronesse Marion. Hier ihr Porträt. Ich muß Sie vor derselben warnen, ich gestehe, daß ich nicht weiß, ob ich in Ihren Jahren solchen Augen widerstanden hätte.“
    Er hatte diese letzten Worte im Scherz gesprochen. Der Rittmeister nahm das Bild. Kaum hatte er einen Blick darauf geworfen, so fuhr er vom Sessel empor.
    „Was ist's?“ fragte der General. „Kennen Sie die Dame?“
    Das Rot der Beschämung flog über das Gesicht des Rittmeisters. Ein wackerer Soldat darf sich nicht überraschen lassen.
    „Nein, Exzellenz“, antwortete er, sich wieder setzend.
    Der Vorgesetzte blickte ihm wohlwollend, aber forschend in die Augen und sagte:
    „Es schien mir doch so. Warum erstaunten Sie?“
    Der Rittmeister zögerte ein Weilchen mit der Antwort, erklärte dann aber:
    „Ich sehe, daß ich sprechen muß, um kein Mißtrauen aufkeimen zu lassen. Ich sah auf einem Spazierritt in der Nähe Dresdens eine Dame, deren ebenso wunderbare wie eigentümliche Schönheit einen großen Eindruck auf mich machte, obgleich ich sie nur im Vorüberschreiten erblickte.“
    „Ah, endlich einmal Feuer gefangen!“ lachte der General.
    Richard von Königsau errötete abermals und verteidigte sich:
    „Ich habe bisher nur meiner Pflicht leben wollen, denn ich bin arm und diene, wie Exzellenz
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