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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Autoren: Karl May
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dir hättest! Ich vergehe vor Neugierde, vor Sehnsucht, das schöne Traumbild, das sich so unverhofft verkörpert hat, zu sehen, lerne ich doch so die innersten Regungen deines Herzens kennen!“
    Ihre Augen richteten sich mit wirklicher Begierde auf Marions Hände, welche nach dem bereits erwähnten Täschchen gegriffen, um dasselbe zu öffnen und die dort verborgene Karte hervorzuziehen.
    „Du hast sie? Sie ist da?“ fuhr sie fort. „Nun sollte noch sein Name dabeistehen; denn du konntest den Photographen unmöglich nach demselben fragen, da der Mann sonst ja gewußt hätte, wer den Raub begangen hat.“
    „Der Name steht auf der Rückseite“, bemerkte Marion. „Hier hast du sie!“
    Nanon griff mit größter Schnelligkeit zu, drehte sich leicht seitwärts, damit das Licht voll auf das Bild fallen könne und betrachtete es, indem ihr Gesichtchen eine ungeheure Spannung verriet. Sie hielt die Karte abwechselnd nahe und entfernt vor die Augen, um sich ein genaues Urteil zu bilden, und sagte dann:
    „Ein schöner, ein herrlicher Kopf!“
    „Nicht wahr?“ bemerkte Marion mit leuchten Augen.
    „Und der Name?“ Nanon drehte die Karte um und las: „Rittmeister Richard von Königsau. Auch ein schöner Name. Nicht, Marion?“
    Die Gefragte nickte leise mit dem Kopf und sagte:
    „Und eigentümlich ist es, daß ich meinem Ideal stets auch den Namen Richard gegeben habe. Richard Löwenherz ist mir der liebste Held der Geschichte, und Richard ist mir der liebste Mannesname.“
    „Ich stelle mir Richard Löwenherz allerdings anders vor als diesen Rittmeister. Ich möchte diesen letzteren doch lieber mit dem Recken Hüon in Wielands Oberon vergleichen. Diese Stirn, diese Augen, dieser Mund, dieses ganze Gesicht, man muß es beim ersten Anblick lieben. Ich verstehe nichts, gar nichts von Physiognomik; ich lasse am liebsten mein Herz, mein Gefühl, meine Ahnung entscheiden.“
    „Nun, was sagt dir deine Ahnung? Wie beurteilt sie ihn, liebe Nanon.“
    „Dieser Mann ist selbstbewußt, aber nicht adelsstolz; sein starker Körper birgt ein tiefes Gemüt, er ist kühn und verwegen, scheint mir jedoch auch auf dem Felde der List ein gefährlicher Gegner zu sein. Seine Stirn ist die eines geübten Denkers, und sein Mund scheint mir der Rede mächtig zu sein, schweigende Beobachtung jedoch vorzuziehen. Sein Naturell ist jedenfalls, um mich der wissenschaftlichen Ausdrücke zu bedienen, ein cholerisch-phlegmatisches, das heißt, er ist heiß- aber langsamblütig, er fühlt und empfindet tief, läßt sich aber von der Gewalt des Augenblicks nicht beherrschen.“
    Da nahm Marion mit einem erfreuten, melodischen Lachen der Freundin rasch das Bild aus der Hand und sagte:
    „Halte ein! Du beschreibst ihn ja als ein wahres Wunder! Wenn er wirklich so wäre, wie du ihn beurteilst, so gliche er meinem Ideal ganz genau, und ich müßte es sehr bedauern, daß ich über die Familie der Königsau nichts, gar nichts erfahren konnte, obgleich ich dir aufrichtig gestehe, daß ich mir alle mögliche Mühe deswegen gegeben habe.“
    „Du brauchtest dir ja nur den Gothaer Adelskalender zu kaufen.“
    „Er war nicht vorrätig, und ich bestellte ihn mir. Da aber rief mich der Brief des Vaters ab, und ich mußte Ordre geben, mir den Kalender nachzuschicken. Bis ich ihn erhalten werde, habe ich mich in Geduld zu fassen. Ah, wie schade!“
    Diese letzten Worte wurden leise gesprochen. Sie galten dem Grafen, welcher gerade in diesem Augenblick in die Kajüte trat, um zu sehen, ob sich hier ein Gesicht finde, welches wert sei, geküßt zu werden. Als er die beiden Damen erblickte, drückten seine Mienen ein schlecht verborgenes Erstaunen aus; er machte eine tiefe Verbeugung und zog sich schnell wieder zurück. Draußen auf der Treppe murmelte er:
    „Die Baronesse de Sainte-Marie! Da wäre eine kleine, liebenswürdige Zudringlichkeit am unrechten Platz. Sie versteht es, sich unnahbar zu halten.“
    Er kehrte auf das Deck zurück.
    „Nun, etwas gefunden?“ wurde er gefragt.
    „Allerdings“, antwortete er. „Aber ich habe doch recht, diese Deutschen haben gar keine charakteristischen Züge. Als ich da unten endlich eine Schönheit entdeckte, ist sie eben eine – Französin.“
    „Die du aber nicht zu attackieren wagtest. Du bist schnell genug davon gelaufen.“
    „Weil ich sie zufälligerweise kenne. Mit ihr ist nicht zu spaßen!“
    „Ah, die muß man sich ansehen!“ lachte einer. „Ist sie es wirklich wert?“
    Der Graf zuckte
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