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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten
Autoren: Karl May
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indem sie sich, nachdem Semawa von Steinbach Abschied genommen hatte, mit derselben in das Frauenzelt zurückzog.
    Nun erst begab sich Steinbach in das Familienzelt, wo der Fürst mit seiner Gemahlin und den drei Jägern saß. Das gute, dicke, tungusische Ehepaar hatte gar keine Ahnung von dem Blitz, der wie aus heiterem Himmel jetzt in ihr so friedliches Familienleben fahren sollte.
    Der Fürst wollte soeben davon sprechen, daß Steinbach ein so vornehmer Herr sei, als dieser mit einer kurzen Bemerkung von dem Thema ablenkte und sagte:
    „Lassen wir das! Wir haben jetzt Wichtigeres zu besprechen und wollen uns dann zu einer kurzen Ruhe begeben, die wir alle sehr notwendig brauchen.“
    „Recht hast du“, stimmte der Fürst, der sehr gern schlief, ihm bei. „Wir müssen beizeiten aufbrechen und haben einen weiten Ritt vor uns.“
    „Also bist du wirklich fest entschlossen, mit deinen Tungusen mit nach dem Mückenfluß zu reiten?“
    „Ja, ich muß, denn Mila Dobronitsch hat gesandt, und wenn diese uns eine Botschaft schickt, so ist es immer dringend.“
    „Wer ist diese Frau?“
    „Sie ist keine Frau, sondern ein junges Mädchen, eine Freundin von Karpala.“
    „Ah, wohl ihre Verbündete? Nicht wahr, sie unterstützt den ‚Engel der Verbannten‘ dabei, den Flüchtlingen über die Grenze zu helfen?“
    „Ja, so ist es.“
    „Dann kann sie kein gewöhnliches Mädchen sein.“
    „Das ist sie freilich nicht. Sie ist reich, schön und so mutig wie selten ein Mann.“
    „Was ist ihr Vater? Dem Namen Dobronitsch nach scheint er ein Russe zu sein?“
    „Er ist ein sehr reicher Herdenbesitzer, dessen Wohnung am Ufer des Baikalsees liegt, da, wo der Mückenfluß sich in den See ergießt, einige Werst nördlich von Werchnei Udinsk. Er ist ein alter Bekannter von mir und freut sich immer, wenn ich ihn besuche.“
    „Auf welche Weise trägt er denn zur Befreiung der Gefangenen bei?“
    „Hm! Das ist ein Geheimnis, das ich eigentlich nicht verraten darf. Zu dir aber will ich davon sprechen. Er hat am Ufer des Sees in den steilen Felsen ein sehr vorzügliches Versteck, wo er die Flüchtlinge verbirgt, bis sich eine gute Gelegenheit für sie findet, über die Grenze zu gelangen. Leider werde ich ihn verlieren. Er ist als armer Mann nach Sibirien gekommen und hier reich geworden und will nun wieder in die Gegend von Warschau, aus der er stammt, zurückkehren. So werden wir uns bald trennen müssen, und ich bekomme ihn vielleicht nie wieder zu sehen.“
    „Das ist das Schicksal aller Menschen. Sie kommen und gehen. Oft ist man gezwungen, sich vom Allerliebsten, was man besitzt, zu trennen. Vielleicht wirst du das auch noch erfahren.“
    „Ich? Wieso?“
    „Nun, ich denke, daß du dich einmal von deiner Karpala wirst trennen müssen.“
    „Niemals!“
    „Vielleicht doch. Die Bestimmung des Weibes ist, dem Mann anzugehören.“
    „Wenn Karpala einmal einen Mann nimmt, wird sie dennoch bei uns bleiben.“
    „Ich habe gehört, daß sie den flüchtigen Kosaken liebt. Wenn sie ihm angehören will, wird sie ihm in seine Heimat folgen müssen.“
    Steinbach ließ absichtlich eine Pause eintreten, während der er seinen Blick scharf und forschend auf das Gesicht des Fürsten gerichtet hielt. Dann fragte er mit schwerer Betonung:
    „Gehört sie wirklich zu euch?“
    „Das vermagst du zu fragen? Natürlich gehört sie zu uns, weil sie unsere Tochter ist.“
    „So! Ist – sie – das – wirklich?“
    Steinbach sprach jedes Wort dieser Frage langsam und einzeln aus. Der Fürst schien zu erschrecken. Er blickte Steinbach lange in das Gesicht und fragte:
    „Wie kommst du zu dieser Erkundigung?“
    „Ich weiß, daß sie eure Tochter nicht ist.“
    Da sprang der Fürst trotz der Schwere seiner Gestalt blitzschnell von seinem Sitz auf, und die Fürstin, die neben Steinbach saß, stieß einen Schrei des Schreckens aus, ergriff seinen Arm und rief:
    „Herr, schweig, schweig! Das soll ja niemand wissen. Sie ist trotzdem unser Kind, obgleich ich sie nicht geboren habe.“
    Steinbach fühlte eine innige Teilnahme für die beiden braven Menschen; aber wenn er es auch nicht gerade für seine Pflicht gehalten hätte, diesen Fall aufzuklären, so gebot ihm doch die Rücksicht auf Georg Adlerhorst, den Kosaken, nach der Abstammung Karpalas zu forschen.
    „Warum erschreckt ihr?“ begann er wiederum. „Niemand will euch die Tochter wegnehmen.“
    „O doch, doch!“ rief die Fürstin. „Wenn Karpala erfährt, daß sie nicht
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