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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten
Autoren: Karl May
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dieser beiden Gefangenen betrifft, so vertraue ich es deinen Händen an. Das über sie zu fällende Urteil wird bald gesprochen werden, und dann wird auch bestimmt werden, was mit ihren Sachen geschieht. Und damit du erkennst, daß ich gegen unschuldige Leute nicht so streng verfahre, will ich dir die Beweise ihrer Schuld zeigen. Diese Menschen irren sich gewaltig, wenn sie denken, daß sie sich durch ihr Leugnen zu retten vermögen.“
    Steinbach gab Sam einen Wink, und dieser zog nun den Schein hervor, den er dem Kreishauptmann unten im Keller abgenommen hatte. Als der Sekretär denselben gelesen hatte, rief er erstaunt:
    „Das ist freilich ein ganz unumstößlicher Beweis ihrer Schuld. Jetzt können sie leugnen, wie sie wollen, so wird das Leugnen ihre Lage nur verschlimmern.“
    „Nun denn, so übergebe ich dir hiermit die Gefangenen. Tue deine Pflicht!“ sagte Steinbach darauf und zog den Überrock wieder an, um sich zu entfernen; da trat die Frau des Kreishauptmanns zu ihm, um für ihren Mann und Sohn zu bitten. Er hörte sie geduldig an und gab ihr den Bescheid:
    „Ich will annehmen, daß du ihre Verbrechen nicht kanntest, aber von der Änderung eures Namens hast du gewußt. Das genügt eigentlich, um auch dich mit anzuklagen. Dennoch will ich davon absehen, denn du tust mir leid. Du sollst deine Freiheit behalten, und es mag auf dich ankommen, ob du hier in Platowa bleiben oder die Deinen nach Irkutsk begleiten willst. Frei werden sie aber niemals werden.“
    Diese Bemerkung verfehlte ihre Wirkung auf die beiden Gefangenen nicht; aber letztere war eine verschiedene. Der Kreishauptmann sank mit einem dumpfen Wehruf in sich zusammen, sein Sohn jedoch wagte es, zornig zu rufen:
    „Ich werde wieder frei sein, ja, ich werde mich gar nicht gefangen geben. Ich bin unschuldig. Und wenn alle es bezweifeln, so gibt es doch ganz gewiß eine Person, die für mich eintreten wird.“
    „Wer sollte das sein?“ fragte der Sekretär.
    „Hier, Karpala, meine Braut. Sie soll in kurzem meine Frau werden, und mein Schwiegervater, der Fürst der Tungusen ist, wird nicht zugeben, daß ich wie ein Verbrecher behandelt werde. Karpala, ich verlange von dir, daß du mich gegen die Willkür verteidigst, der ich unterliegen soll. Es ist deine Pflicht.“
    Der Rittmeister hatte sich bei diesen Worten direkt an Karpala gewandt und war ihr mehrere Schritte nähergetreten.
    Doch sie wehrte ihn ab und entgegnete:
    „Weiche von mir! Ich mag nichts von dir wissen. Ich habe dich gehaßt und verabscheut, solange ich dich nur kenne. Es ist nie ein Wort davon, daß ich dein Weib werden will, über meine Lippen gekommen. Und selbst wenn ich dazu hätte gezwungen werden sollen, so hätte ich mich gesträubt. Von dir auch nur angerührt zu werden, ist mir stets eine Pein gewesen. Was dir geschieht, hast du mehr als reichlich verdient. Ich habe nichts mit dir zu schaffen.“
    Karpala hatte ganz anders gesprochen, als es sonst ihre Weise war. Ihre Augen hatten geblitzt, und auf ihre Wangen war die dunkle Röte des Zorns getreten. Es war, als ob ihre Züge ein ganz neues Gepräge bekommen hätten, als ob sie plötzlich eine ganz andere geworden sei.
    War bereits vorher von der charakterlichen Gesichtsbildung der Tungusen bei ihr nichts zu bemerken gewesen, so trat jetzt dieser Umstand auf das entschiedenste und auffälligste hervor. Die schiefgeschlitzten Augen und hervortretenden Backenknochen der sibirischen Nationalitäten fehlten ihr ganz. Ihr Gesicht hatte vollständig europäischen Schnitt.
    Das fiel jetzt allen, besonders aber Steinbach auf, der ja gewöhnt war, stets selbst das Kleinste zu beachten. Sein Blick glitt von ihr auf ihre Eltern; er ruhte still prüfend auf denselben und kehrte darauf wieder zu dem schönen Mädchen zurück. Dann flog es hell über sein Gesicht, als ob er irgendeinen Entschluß gefaßt habe, doch sagte er nichts.
    Es gab überhaupt nichts mehr zu sagen; die anwesenden Kosaken mußten sich ihrer beiden bisherigen Vorgesetzten bemächtigen und sie hinab in den Keller führen, um sie dort bis zum Aufbruch nach Irkutsk zu bewachen, während Steinbach mit seinen Begleitern nach dem Lager vor der Stadt zurückkehrte.
    Unterwegs waren alle still geworden, denn sie beschäftigten sich nur mit dem einen Gedanken, daß Steinbach ein so hochstehender Offizier sei und doch endlich einmal sein Inkognito ein wenig gelüftet hatte.
    Als er vom Pferd steigen wollte, warf Sam sich schnell aus dem Sattel, hielt ihm demütig den
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