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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten
Autoren: Karl May
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dieser Kreishauptmann zu suchen ist?“
    Der Kreissekretär hatte der Erzählung mit einer Miene und einer Aufmerksamkeit zugehört, die nicht nur sein größtes Interesse für diese Sache, sondern auch eine ebenso große Bestürzung kundgaben. Er antwortete jetzt mit stockender Stimme:
    „Exzellenz, ich bin vor ungeheurer Überraschung fast außerstande, aus dem, was ich bisher hörte, einen Schluß zu ziehen. Es kommt mir fast wie ein Frevel vor, meinen nächsten Vorgesetzten einer so ungeheuren Schuld zu zeihen, und doch ist es mir unmöglich, anders zu denken, als daß er es ist, von dem du gesprochen hast.“
    „Natürlich ist er es, und ich übergebe dir ihn und seine beiden Mitschuldigen hiermit definitiv als Gefangene.“
    „Herr –!“
    „Ja, du bist von dem gegenwärtigen Augenblick an Kreishauptmann von Platowa.“
    „Ich kann das nicht annehmen. Nur ein direkter Vorgesetzter ist berechtigt, mir eine solche Verfügung mitzuteilen.“
    „Nun, dann muß ich allerdings meine Mitteilung zurücknehmen, denn derjenige Beamte, der mich beauftragt hat, dir dieses Amt zu übergeben, ist der indirekteste und entfernteste, den es nur geben kann.“
    „Wer ist es?“
    „Dieser hier!“
    Steinbach zog ein Papier aus der Tasche, faltete es auseinander und überreichte es dem Sekretär. Dieser nahm es mit einer tiefen Verneigung in Empfang. Kaum aber hatte er einen Blick darauf geworfen, so drückte er es nach orientalischer Weise an sein Herz, verbeugte sich noch viel tiefer als vorher und sagte im Ton der größtmöglichsten Ehrerbietung:
    „Mein Gott! Herr, das ist ja ein Ukas imennoj!“
    Ein Ukas imennoj ist nämlich ein von dem russischen Kaiser höchst eigenhändig ausgestellter, von ihm selbst unterschriebener und besiegelter Befehl. Solche Ukasse sind eine hohe Seltenheit; sie gelangen nur in die Hände der hervorragendsten, von der kaiserlichen Gunst getragenen Persönlichkeiten. Daher der Ton des Erstaunens oder vielmehr des Schrecks, in dem der Kreissekretär die letzten Worte ausrief.
    „Lies ihn nur!“ befahl Steinbach kurz.
    Der Ukas war auf den Inhaber ausgestellt, ohne daß der Name desselben genannt wurde. Der Sekretär konnte also aus ihm nicht erfahren, wer Steinbach eigentlich sei. Daß dieser aber nicht ein Privatmann war, bewies zunächst seine Generalsuniform und sodann der Inhalt des Ukas, denn in demselben wurde gesagt, daß alle Befehle und Anordnungen Steinbachs, möchten sie lauten, wie sie nur wollten, geradeso zu befolgen seien, als ob sie von dem Zaren selbst ausgingen.
    Der Kreissekretär trat zu Steinbach heran, beugte sein Knie, reichte ihm den Ukas hin und sagte:
    „Exzellenz, nimm meinen Respekt in Gnaden an. Ich bin dein gehorsamster Sklave und werde alles tun, was du mir befiehlst.“
    Steinbach steckte das Papier wieder zu sich und antwortete:
    „Das erwarte ich allerdings von dir. Zunächst ernenne ich dich, da du, wie ich mich überzeugt habe, dich durch nichts verleiten läßt, gegen Pflicht und Gewissen zu handeln, zum Kreishauptmann von Platowa und werde dafür sorgen, daß die schriftliche Installierung dir vom Gouverneur baldigst zugehe. Dein erstes Tun im neuen Amt soll die Arretierung dieser beiden Verbrecher sein.“
    „Herr, wenn du es wünscht, werde ich sie in Ketten legen lassen.“
    Der Eifer, mit dem der Mann diese Worte sprach, ließ erkennen, welchen großen Eindruck der Ukas auf ihn gemacht hatte.
    „Ich muß allerdings die größte Vorsicht anraten, und da es hier kein Gefängnisgebäude gibt, das die nötige Sicherheit für solche Gefangenen bietet, wirst du sie gefesselt und unter gehöriger Bedeckung nach Irkutsk schaffen lassen. Das Begleitschreiben verfasse ich sofort und werde es dir noch vor Anbruch des Morgens zustellen. Du haftest mir für die sichere Ablieferung der Gefangenen.“
    „Exzellenz, ich werde sie selbst hinschaffen.“
    „Gut. Und noch eins: Ich reise früh ab, um den Grafen Polikeff zu ergreifen. Sollte ich ihn verfehlen, so daß er vor mir hier wieder anlangt, so arretierst du ihn sofort und transportierst ihn ebenfalls nach Irkutsk.“
    „Ich werde diesem Befehl auf das allerstrengste nachkommen.“
    „Aber nimm dich in acht mit ihm! Er ist ein gefährlicher und waghalsiger Mensch, der alles daransetzen würde, dir zu entkommen. Er wird seine ganze Schlauheit anwenden, diesen Zweck zu erreichen.“
    „Und wenn er schlauer wäre, als ein Fuchs, mich soll er nicht überlisten.“
    „Ich hoffe es. Was das Eigentum
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