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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn
Autoren: Andreas Suchanek
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sehe schon, von selbst kommst du nicht auf die Lösung«, spottete die Stimme aus dem Lautsprecher. »Also helfe ich dir auf die Sprünge: Zieh doch mal in Betracht, dass sich auf dem Datenkristall gar nicht die Gedächtniskopie deines Sohnes befand, sondern eine gänzlich andere.«
    »Um das auszuschließen, habe ich persönliche Daten abgefragt, die du korrekt beantwortet hast.« Miki versuchte das Gehörte in logische Bahnen zu lenken, was ihm nur unzureichend gelang. »Außerdem gab Matthew Drax mir den Kristall. Ich vertraue ihm.«
    »Ah ja, Drax. Er steht auch auf meiner Liste. Gleich nach seiner Barbarenschlampe Aruula, die mir ihr Schwert in den Schädel gerammt hat!« Aiko – oder wer immer sich als Aiko ausgab – legte eine Kunstpause ein. »Na, klingelt’s da nicht? Schwert... Kristall... Ein Tipp noch: Ostdoyzland.«
    Die Puzzleteile fügten sich in Mikis Logikzentrum schlagartig zusammen. Der Kampf beim Ursprung in Ostdeutschland. Das Hybridwesen, von dem Matt berichtet hatte, bestehend aus dem Koordinator des Flächenräumers und –
    »Crow! Arthur Crow!«
    » General Arthur Crow, Ex-Präsident des Weltrats; so viel Zeit muss sein«, gab die Stimme belustigt zu. »Offenbar sind deine Gedächtnischips doch nicht komplett verrostet. In der Tat, ich bin zurück.«
    »Was haben Sie getan?«
    »Die Frage ist: Was haben Sie getan?« Dass beide zum »Sie« wechselten, hatte nichts mit gegenseitigem Respekt zu tun, sondern mit dem Fehlen jeglicher Vertraulichkeit. »Offenbar waren Sie es ja, der mir mein neues Leben geschenkt hat.« Crow seufzte. »Aber ich will Sie nicht länger im Unklaren lassen, Takeo. Beim Kontakt mit Aruulas Schwert während des Kampfes am Ursprung gelang es mir, meinen Geist in den Datenkristall zu übertragen, auf dem bis zu diesem Zeitpunkt das Gedächtnis Ihres Sohnes gespeichert war. Leider war darin zu wenig Platz. Ich musste sozusagen aufräumen .«
    »Sie haben... Aiko gelöscht.«
    »Nicht vollständig, zum Glück. Seine Erinnerungen stellten sich bei Ihren Fragen als nützlich heraus. Auf viele Informationen kann ich immer noch zugreifen. Aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen: Es ist zu wenig übrig, um Ihren Sohn noch einmal zu erwecken. Er ist unwiederbringlich tot. Sozusagen ins Datennirwana eingegangen.«
    »Schweigen Sie!«
    Doch Crow dachte nicht daran. »Wie oft hat sich der arme Junge nach einer Aussprache gesehnt«, fuhr er fort. »Doch diese unterschwellige Wut auf Sie, diese tief verborgenen Aggressionen... Er hat es nie verwunden, dass Sie damals seine Mutter und ihn im Stich ließen und aus Amarillo weggingen, Takeo.«
    »Seien Sie endlich still!«, brüllte Miki Takeo – und erschrak über sich selbst. Er hätte nicht gedacht, noch zu solchen Emotionen fähig zu sein. Natürlich waren es keine echten Empfindungen, nur ein Echo aus früheren Tagen, als sein Gehirn noch organisch gewesen war. Aber das machte es nicht leichter.
    »Wollen Sie denn nicht wissen, was Ihr Bübchen über sie dachte?«, ätzte Crow weiter.
    Miki zwang sich zur Ruhe. »Sie sind ein Lügner, ein Verbrecher, ein Massenmörder. Kein Wort aus Ihrem Mund besitzt auch nur die mindeste Bedeutung für mich.«
    Wieder seufzte Crow. »Nun gut – lassen wir das Geplänkel. Ich muss zugeben, dass es mir weit weniger Genugtuung bereitet, als ich gehofft hatte. Dieser Androidenkörper ist zwar fähig, Emotionen zu simulieren, aber es fühlt sich... künstlich an. Also bringen wir es zu Ende. Es wird Zeit, dass Sie sich zu Ihrem Sohn gesellen.«
    »Dann kommen Sie her, Crow!«, stieß Miki hervor. »Tragen wir es aus!«
    »Und wieder muss ich Sie enttäuschen, Takeo«, klang Crows Antwort durch den Raum. »Ich muss mir meine Finger nicht mehr an Ihnen schmutzig machen. Kerans Erbe wird das erledigen.«
    »Ich bin sicher, in Ihrem verdrehten Verstand ergibt diese Aussage auf irgendeine Art und Weise Sinn.«
    »Aber natürlich«, gab Crow zurück. »Ich muss Sie leider davon informierten, dass Keran eine Bombe in Ihren Schädel verbaut hat. Faszinierend, nicht wahr. Dieser Barbarenjunge plante Sie ebenso auszuschalten wie Fudoh und legte dabei einen bemerkenswerten Einfallsreichtum an den Tag. Dafür zolle ich ihm posthum Respekt. Am Ende hat es ihm allerdings nichts anderes eingebracht, als einen schmerzvollen Tod.«
    »Eine Bombe?« Miki Takeo gab seiner Stimme einen verächtlichen Klang. »Ist das Ihre Vorstellung von Ehre, Crow? Einen Gegner aus der Ferne zu töten?«
    Arthur Crow lachte.
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