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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn
Autoren: Andreas Suchanek
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einen Halbkreis gebildet und ließen ihrem Kameraden die Chance, seine Schmach zu tilgen.
    Einmal mehr begrüßte Miki das tief gehende japanische Ehrgefühl, das ihm hier zu Hilfe kam. In einem gemeinsamen Angriff hätten seine Chancen weit schlechter gelegen.
    So gewann er die Zeit, die nötig war, bis Aiko eingriff. Wo blieb der nur?
    Haruto kam mit unbewegtem Gesicht näher, die Klinge im Anschlag. Erneut zischte das Katana in einer schnellen Abfolge aus Schlägen durch die Luft, wie von einem Choreografen ausgearbeitet.
    Aufgrund seiner fehlenden Bauteile und der dadurch verlangsamten Reaktionszeit gelang es Miki nur, den ersten Schlag zu blocken und dem zweiten auszuweichen. Der dritte traf in wuchtig und schnitt sogar ein Stück Plysterox aus seiner Hüfte, als bestünde diese aus Butter. Es mussten originale japanische Schwerter sein, beim Schmieden dutzendfach gefaltet und unglaublich scharf.
    Miki legte die bisherigen Bewegungsabläufe einer stochastischen Wahrscheinlichkeitsrechnung zugrunde, um Harutos folgende Angriffsvektoren abzuschätzen. Als der Japaner den nächsten Schlag ausführte, bekam Miki dessen Handgelenk zu fassen und brach es mit einer schnellen Bewegung. Haruto riss die Augen auf und ließ sein Katana los.
    Bevor bei seinem Gegner das Schmerzempfinden einsetzte, schnappte sich Miki die Waffe und führte einen gezielten Streich. Er verabscheute das Auslöschen von Leben, doch hier ging es schlicht und ergreifend um seine eigene Existenz.
    Mit einem synchronen Schrei setzten sich die verbliebenen Kämpfer in Bewegung. Mit erhobenen Schwertern stürmten sie heran, die Gesichter wutverzerrte Grimassen. Von ihrer stoischen Gelassenheit war nichts geblieben.
    Hieb um Hieb prasselte auf ihn ein, doch mit jedem Angriff konnte Takeo seine Gegner besser analysieren, sich besser auf sie einstellen und ihre nächsten Attacken vorausahnen. Durchbrachen zu Beginn noch einige der Schläge seine Deckung, gelang dies nach und nach kaum noch einem seiner Gegner – während sie bei dem Versuch zunehmend ermatteten.
    Miki schaffte es, zwei weitere Männer und eine Frau auszuschalten. Seine internen Abläufe stabilisierten sich, obgleich seine Beschädigungen zunahmen. Zwei Mikro-Servos funktionierten nicht mehr, ein Gelenk hakte und seine Plysterox-Verkleidung war an mehreren Stellen aufgeschlitzt.
    »Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen«, sagte die überlebende Frau. »Ich bin Miyu, und ich werde dich bekämpfen, bis einer von uns beiden unterliegt.«
    »Ich kann nicht gewinnen?« Miki deutete auf die Leichen der anderen vier Angreifer. »Ihre toten Freunde sprechen eine andere Sprache.«
    Miyu lachte auf. »Ich spreche nicht von diesem Kampf, in dem sich mein Schicksal erfüllen wird. Ich spreche von General Fudohs Mission, unser Volk zu retten und zu einen. Auch wenn du mich tötest, kannst du letztlich nicht gewinnen.«
    »Ihre Aussage ergibt keinen Sinn«, entgegnete Miki Takeo. »Ich habe nichts gegen euer Volk. Schließlich stammen auch meine Vorfahren aus Nipoo. Ich habe nur etwas gegen größenwahnsinnige Machtmenschen, die sich als Heilsbringer aufspielen.«
    »Die Wahrheit verschließt sich denjenigen, die sie nicht zu hören vermögen.« Miyu lächelte bitter. »Und ihr Maschinen werdet niemals in der Lage sein zu hören, zu verstehen, zu begreifen.«
    Miki nahm das Geplapper der Japanerin nicht wirklich ernst. Stattdessen fragte er sich, wo Aiko blieb. Er hätte längst hier ein müssen. Da auch Fudoh nicht aufgetaucht war, lag die Vermutung nahe, dass die beiden sich begegnet waren. Hatte der irre General Aiko womöglich ausgeschaltet und ins Labor zurückgebracht?
    Um das herauszufinden, musste er diesen überflüssigen Kampf so rasch wie möglich beenden. Er hob Harutos Schwert.
    Miyu führte ihre Attacken präzise und umsichtig aus, doch Miki benötigte nur einen geringen Teil seiner Kapazitäten, um ihre Schläge zu parieren. Zwei gezielte Hiebe seinerseits trieben Miyu an die Wand zurück. Miki hoffte, dass die Frau nun aufgab, doch erneut zeigte sich die Hartnäckigkeit der japanischen Kämpfer. Verbissen führte Miyu Hieb um Hieb aus, sprang zwischen seinen Schlägen hindurch, rollte ab und vollführte Saltos. Ihre Kampfkunst war der ihrer Mitstreiter um ein Vielfaches überlegen.
    Takeo beendete das Duell, indem er bewusst seine Deckung öffnete. Als sich Miyus Klinge in seinen linken Oberarm grub und der Stromstoß ihn durchfuhr, nutzte er ihre Blöße aus und stieß mit der Rechten
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