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330 - Fremdwelt

330 - Fremdwelt

Titel: 330 - Fremdwelt
Autoren: Jo Zybell
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die jeweils an jedem Kopfende lag, warf er einen letzten Blick durch das Portal hinaus auf den Platz vor dem tempelartigen Gebäude: Dort hatten die Indios sich im Gras niedergelassen; einige saßen, viele lagen auf dem Rücken. In der vorderen Reihe war deutlich erkennbar, dass viele die Augen geschlossen hatten. Auch die Indios der Eskorte gingen nun hinaus und mischten sich unter den Stamm.
    »Gibt es jetzt eine Art Tempelnickerchen zur Belohnung?«, flüsterte Xij zu seiner Linken. »Oder was soll das bedeuten?«
    »Wahrscheinlich wird Faultier jetzt gleich die Kordel ziehen, und Teddy wird entscheiden, was passiert.«
    »Aber das ergibt keinen Sinn!«, zischte Xij. »Dazu müssten wir uns nicht hierher legen. Durchbohrt werden oder den Kopf verlieren können wir auch draußen.«
    Matt musste ihr Recht geben. Die Vorbereitungen, die diesmal getroffen wurden, deuteten auf ein anderes Procedere hin. Alle Beteiligten nahmen die Sache sehr ernst, wie es aussah. Draußen vor der Halle verharrten sie andächtig und mit geschlossenen Augen. Workel schien zu meditieren und auf einen schönen Traum zu warten, wenn Matt seine verzerrte Miene richtig deutete, und Faultier rief mit lauter Stimme: »Chef!«
    Damit schloss er seine Klauenfaust tatsächlich noch einmal um Teddy. Doch statt nach der Kordel zu greifen und die Sprachkapsel in seinem Inneren aufzuziehen, schlug er den Kopf des blauen Stofftiers kräftig auf den Stamm und setzte ihn gleich wieder darauf.
    Matt konnte es beobachten, weil er den Kopf in den Nacken gelegt und die Augäpfel nach oben gedreht hatte.
    Der Schlag hatte wohl nicht den erwarteten Effekt erzielt, und Faultier packte den Plüschbären erneut und schlug es auf den Stamm. Dreimal tat er das, und als Teddy dann wieder auf der Holzfläche saß, schien der Chef endlich zufrieden.
    Einen Augenblick später sah Matt auch den Grund dafür: Eine Art bläuliche Aura, die wie Dampf aus ihm hervor drang, umgab plötzlich das grinsende Stofftier.
    Der Chef schaukelte an Matts Liege vorbei zum Portal und ließ sich auf dessen Schwelle nieder. Er grunzte zufrieden. Matt wollte den Kopf wieder nach dem Teddy drehen, doch aus irgendeinem Grund gelang ihm das nicht mehr. Allerdings sah er von dort, wo das Stofftier sitzen musste, bläulichen Widerschein flirren.
    Siehst du das auch, Xij? , wollte er fragen, doch seine Stimmbänder und Zunge gehorchten ihm nicht mehr. Die Bläue hüllte ihn ein, drang ihm durch Augen, Nase und Ohren. Bleierne Schwere kroch auf einmal durch seine Glieder. Er versuchte die Zehen zu bewegen – es gelang ihm nicht. Er wollte die rechte Hand heben – vergebens. Er versuchte sich aufzusetzen …
    … und musste zu seinem Erschrecken feststellen, dass er bereits stand!
    Das war doch er, oder?
    Natürlich: blondes Haar, rotgrüne Kombination, schwarzes Shirt. Niemand anderes als er selbst hatte sich dort unten von der Liege erhoben und blickte sich um.
    Dort unten? Moment mal! Wieso konnte er sich selbst wie aus der Vogelperspektive sehen? Auch stand er in keiner rechteckigen Halle zwischen irgendwelchen Holzliegen, sondern im Unterholz des Dschungels zwischen Urwaldriesen.
    Hier stimmte etwas nicht! Etwas stimmte ganz entschieden nicht!
    Ein Traum also? Oder eine Art Wachkoma?
    In diesem Moment richtete sich Workel neben ihm auf und spreizte die haarigen Pranken. Hatte er denselben Traum, oder war er Teil von Matts Traum? Und was war mit Xij? Verwirrend, das alles.
    Sekundenlang war Matthew Drax zu sehr fasziniert, um Sorge oder Furcht zu spüren. Unter der Decke hängend, betrachtete er sich selbst wie einen Fremden – und reagierte zu spät, als plötzlich dort unten der große Schiefhals hinter ihn trat, nach Matts Hals griff und zudrückte.
    Schmerz durchzuckte Matts Körper unter der Kuppeldecke, die keine Kuppeldecke mehr war, sondern ein Blätterdach. Vergeblich versuchte er einzuatmen.
    ***
    Spätsommer 2522
    Brainless Kid begriff überhaupt nichts mehr: Paul leuchtete blau, aber richtig blau, und Trashcan Kid hockte im Fahrersitz, starrte ihn an und rührte sich nicht. Und draußen stapften Schritte durch Unterholz und Gras.
    Er hielt sich an der Lenkstange fest, beugte sich weit aus dem Unterstand, den sie über dem Trike errichtet hatten, und spähte in die Mondnacht: Da standen sie – Monsieur Marcel, Ozzie, Loola, Peewee, Johnny und die Soldatenbraut. Standen wie die Marmorstatuen in diesem Park in Fucking Waashton – wie hieß er gleich? – und starrten an ihm
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