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328 - Flucht aus dem Sanktuarium

328 - Flucht aus dem Sanktuarium

Titel: 328 - Flucht aus dem Sanktuarium
Autoren: Mia Zorn
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die gewasserte Raumfähre mit einem starken Tau, das man aus drei Seilen geflochten hatte, verbunden. Nachdem Matt die Befestigungen ein letztes Mal überprüft hatte, gab er das Zeichen zum Start. Auf den vier Holzinseln hoben die Steuermänner die Arme zum Zeichen, dass sie bereit waren; auf dem vorderen Floß der alte Juan, der immer noch dem Ersatz seiner »kleinen Nixen« skeptische Blicke zuwarf. Auf den beiden mittleren Holzinseln waren es der rothaarige Rastaff Carlos und ein muskulöser Feldarbeiter, der sich sinnigerweise »Steamer« nannte. Auf dem letzten Floß führte Pedró den Steuermast. Neben ihm stand die verwegene Salma. »Jah Mon!«, rief sie. »Jah Mon!« schallte es wie mit einer Stimme von den schwimmenden Rettungsinseln.
    Als Matt das Shuttle startete, hatte Takeo die Zielkoordinaten längst errechnet. »Noch zwei Stunden bis zum Eintreffen der Welle«, verkündete er mit seiner emotionslosen Stimme.
    »Vielleicht auch etwas mehr«, flüsterte Xij Hamlet mit einem ermutigenden Lächeln und küsste Matts Wange. Dann setzte sie sich an den Rand der geöffneten Cockpitluke, bereit, jederzeit durchzusagen, was auf dem Fluss vor sich ging.
    In nur fünf Metern Höhe und mit gleichbleibender Geschwindigkeit lenkte der Mann aus der Vergangenheit das Shuttle über das Gewässer des Hope River. Bei dem Gedanken, dass das Leben von annähernd hundertfünfzig Menschen von seinen Flugkünsten abhing, verursachten ihm Magendrücken. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass keine plötzlichen Hindernisse auf dem Fluss auftauchen mochten.
    Tatsächlich zeigten sich im Verlauf der eigenartigen Wasserfahrt weder feindliche Schnellboote des Gouverneurs, noch tauchten die gefräßigen Crodactuse wieder. Einzig Juans mutierte Seekühe sprangen hin und wieder aus den silbernen Fluten. Sie begleiteten die Flöße bis zur Küste. Dann erst blieben sie zurück.
    Als das Shuttle das offene Meer erreichte, stand Matthew der Schweiß auf der Stirn. Weitere anderthalb Stunden waren vergangen und die Strecke zum Beginn der Wellenerhebung noch fern. Würden sie es rechtzeitig schaffen?
    »Ruhiger Wellengang. Du kannst die Geschwindigkeit erhöhen.« Das war alles, was Takeo dazu sagte. Während Xij den Chaymacanern auf den Flößen zurief, es würde mehr Fahrt aufgenommen, beschleunigte Matt das Shuttle. Vor ihm schimmerte die blaugrüne Oberfläche der Karibischen See mit dem klaren Himmel um die Wette. Unter ihm bejauchzten Kinderstimmen die plötzlich rasante Wasserfahrt. Nichts, aber auch gar nichts deutete auf die nahende Naturkatastrophe hin.
    Doch keine halbe Stunde später schlug Miki Takeo Alarm. »Eine Meile vor uns. Die Welle erhebt sich. Geschwindigkeit erhöhen, Matthew. Sofort!«
    Eine Grafik tauchte vor Matt auf dem Bildschirm auf: Unter rautenförmigen schwarzen Linien krümmte sich der helle Untergrund. »Zu früh«, fluchte Matt. Gleichzeitig drückte er den Beschleunigungshebel nach vorne. Die Fluten sausten unter dem Shuttle vorbei. Am Horizont ein blass violetter Streifen, der Himmel und Ozean voneinander trennte. Einige Minuten später verschwand der Streifen hinter einer Hügelkette aus Wasser.
    Matt stockte der Atem. Schreie der Menschen unter ihm drangen an sein Ohr. Und die Stimme Takeos: »Wir schaffen es, mein Freund. Noch mehr Geschwindigkeit und wir sind drüber weg.« Ohne den näherkommenden Wasserwall aus den Augen zu lassen, bediente Matthew die Bordinstrumente. Erst kurz vor der Welle drosselte er die Geschwindigkeit und zog langsam und gleichmäßig das Shuttle in die Höhe. Einen Augenblick lang glaubte er den Aufschlag des Wassers auf der Unterseite der Raumfähre zu spüren. Dann hatten sie die ansteigende Welle hinter sich.
    Doch zum Aufatmen kam der Mann aus der Vergangenheit nicht. Beim Übergang über die sich erhebende Welle waren viele Menschen von den Flößen ins Meer gestürzt. Matt ließ das Shuttle über dem Wasser schweben, schaltete den Autopiloten ein und eilte zu Xij an die Cockpitöffnung. Unter ihnen schaukelten und schwankten die Flöße. Im Wasser trieben gut zwei Dutzend Chaymacaner. Männer und Frauen sprangen ins Meer, um ihnen zu helfen. Von den schwimmenden Inseln reckten sich Arme und Stöcke, um Retter und Gerettete wieder an Bord zu ziehen.
    Keiner beachtete die Welle, die inzwischen hinter ihnen lag. Wie ein urgewaltiges Monster erhob sie sich aus den Fluten und verschlang den rückwärtigen Horizont. Und ebenso wenig sah keiner den Schwarzschopf und die
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