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316 - Die Pest in Venedig

316 - Die Pest in Venedig

Titel: 316 - Die Pest in Venedig
Autoren: Michelle Stern
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wehrt sich!«
    »Sie ist doch eine Hexe! Schlagt sie tot!«
    Xij strampelte wild, als sie den Boden unter den Füßen verlor und davongeschleppt wurde. »Lasst mich los! Ich bin keine Hexe! Ich bin eine Bürgerin Venetias!« Sie wusste kaum noch, was sie sagte und tat. Ihr war nur eins klar: Wenn kein Wunder geschah, würde das für sie böse ausgehen. Richtig böse. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft kam ihr der Gedanke, dass sie lieber im Flächenräumer geblieben wäre.
    Aber sie hatte ja nicht mal eine Wahl gehabt. Sie war ohnmächtig gewesen, als Matt und Grao durch die Zeitblase gegangen waren, und erst hier im kalten Wasser der Lagune wieder zu sich gekommen. Was genau geschehen war – mit dem Streiter, mit Takeo, mit der ganzen Erde –, wusste sie nicht; Matt hatte keine Zeit gehabt, es ihr zu berichten.
    Sie trat einem Mann ins Gesicht, hatte kurz mehr Freiraum, nur um auf die Steine gedrückt und mit etwas umwickelt zu werden. Ein Netz! Hatten sie vor, kurzen Prozess mit ihr zu machen? Selbst in dieser Zeit wurde Selbstjustiz verfolgt. »Hört auf! Hat denn jeder in der Stadt den Verstand verloren?«, schrie sie.
    Deine Anklagen helfen dir nicht weiter , flüsterte eine vertraute Stimme in Xij. Du kannst den Schrei ausstoßen und fliehen, Liebes. Treib sie zurück, verjag sie, und dann such nach Matt und dem Daa’muren.
    Manil’bud. Die Menschen und Schreie um Xij her wurden mehr und mehr zu einem einzigen Wirbel. Sie drohte das Bewusstsein zu verlieren. Hilf mir.
    Die Sicht wurde klarer. Schrei endlich, Xij. Hab keine Angst. Ich bin nicht mehr auf der Seite des Streiters. Ich bin auf deiner Seite!
    Xij öffnete den Mund. Sie setzte zu dem ultrahohen Schrei an, mit dem sie in der Vergangenheit bereits Harpyien verjagt, einen Daa’murenkristall zersplittert und auch Mutter vernichtet hatte. Diese Fähigkeit ging auf Manil’bud zurück, das wusste sie jetzt. Der Schrei hatte ihr geholfen, in den urzeitlichen Meeren der Erde zu überleben. Doch kaum hatte Xij den ersten Laut ausgestoßen, hämmerte eine der Gauklerkeulen in ihr Gesicht. Schmerz explodierte in ihrem Jochbein und ließ sie verstummen. Zwei Kerle grapschten nach ihren Schenkeln, unter dem Vorwand, sie noch fester ins Netz zu wickeln. Die Arme wurden ihr an den Leib gepresst.
    »Lasst mich!«, brachte sie verzweifelt hervor. »So hört doch auf, um Gottes willen!«
    Ihr Flehen schien zu wirken. Verblüfft bemerkte Xij, wie der Druck an den Schenkeln nachließ. Die Menschen zogen sich zurück. Kamen sie plötzlich zur Vernunft?
    »Sie ist ein Dämon!«, kreischte eine verhärmt aussehende Frau, die dicht neben Xij aufragte.
    »Sie spricht die Sprache des Teufels!«, brüllte der Kaufmann mit der Pelzmütze. Seine dunklen Augen glühten wie heiße Kohlestücke. »Ihr habt es alle gehört! Das Tier spricht durch sie! Wir müssen sie töten, ehe sie die geflügelten Pestdämonen ruft!«
    Xij erstarrte. Was meinte der feiste Kerl damit, dass das Tier durch sie sprach ? Hatte sie in ihrer Panik etwa Hydritisch gesprochen?
    Ja, hast du , bestätigte Manil’bud. Flieh, oder du stirbst hier und jetzt!
    Xij startet einen letzten Versuch, sich aus dem Netz zu winden und zu entkommen, wurde aber erneut zu Boden geworfen. Harte Stiefel traten nach ihr. Ihre Gegenwehr erstarb. Sie hatte alles an Kraft gegeben, was sie geben konnte. Ihre Kehle brannte von ihren unnützen Schreien und über ihr Gesicht liefen Tränen.
    Sie wurde hochgerissen. Der Kaufmann selbst packte mit an, und ein Gaukler mit langen Haaren band ein Seil um ihre Fußgelenke. In Xij wallte Panik auf, als sie sah, dass das andere Ende um einen Wackerstein gewickelt war. Wollen die mich etwa...
    Da holten die Männer auch schon Schwung, um sie samt des Steins in den Kanal zu befördern.
    ***
    In einer anderen Zeit
    Der Flächenräumer verschwand und mit ihm die Gesichter von Matt und Xij. Gilam’esh tauchte in warmes Wasser ein. Automatisch stellte er auf Kiemenatmung um. Er spürte augenblicklich, wie sich ein großer Druck von ihm löste. Sein Kopf, sein Körper, sein ganzes Befinden war plötzlich leicht und grenzenlos, wie das kobaltblaue Meer, das ihn und Quart’ol umgab.
    Gleichzeitig spürte er, dass das Wasser in Bewegung war. Tatsächlich: Der Meeresboden bebte leicht. Fischschwärme zuckten hektisch hin und her, beruhigten sich aber rasch wieder, als das kurze Seebeben schon wieder endete. Gilam’esh schnalzte erleichtert. »Der Streiter ist fort«, sagte er zu Quart’ol
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