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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad
Autoren: Stephanie Seidel
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Hütte. Dann sagte Juneeda: »Ich sterbe, weißt du?«
    »Ich weiß.« Arjeela sank auf den Bettrand. »Und ich werde dir bald folgen. Wahrscheinlich auch alle anderen, die den Streiter gerufen haben.«
    »Er ist eine furchtbare, gottlose Kreatur«, wisperte die Priesterin. »Ich hatte in meinem Leben Kontakt mit so manchen gefährlichen, grausamen Gestalten, aber etwas wie ihm bin ich nie begegnet.«
    »Hörst du sie immer noch?«, fragte Arjeela.
    »Die Stimmen? O ja, sie sind da. Sie und die Schatten, die ständig um mich herum huschen.« Juneeda strich sich über die müden, rot geränderten Augen. »Und wie ist es bei dir?«
    »Genauso.«
    »Nun ja – wenigstens kannst du noch deine Beine gebrauchen.« Die Priesterin nickte aufmunternd. »Also nutze diese Fähigkeit und geh heim! Es war ein schwerer Tag. Ruh dich aus.«
    »Ist gut.« Arjeela ächzte, als sie aufstand. Schleppenden Schritts ging die junge Frau zur Tür. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal um. »Soll ich Juefaan zu dir schicken?«
    »Nein«, sagte Juneeda hart. »Ich will nicht, dass mein Sohn mich in diesem Zustand sieht! Lass ihn bei Rebeeka, da ist er gut aufgehoben.«
    »Das ist er bestimmt. Tumaaras Schwester hat sich prächtig entwickelt während der Zeit, in der sie auf Wanderschaft war.« Arjeela dachte nach. »Wie lange haben wir sie nicht gesehen? Ein Jahr?«
    Die Priesterin nickte. »Sie ging als wildes Kind – und kam zurück als Kriegerin.« Stolz schwang in Juneedas Stimme mit. Sie selbst hatte ihren Schützling auf diese Reise geschickt. Rebeeka war wie ein ungeschliffener Diamant; sie musste nur lernen, ihr Temperament zu zügeln und ihrem wachen Verstand eine Chance zu geben, statt Dispute mit der Waffe zu klären.
    Oder eher: mit Waffen.
    »Ihre Kampftechnik ist selten«, bestätigte Arjeela, als hätte sie die Gedanken der Priesterin erlauscht – was ihr niemals eingefallen wäre, denn es verstieß gegen die Ethik der Dreizehn Inseln. »Zwei leichte Schwerter, mit links so sicher geführt wie mit rechts! Und deutlich schneller als die üblichen Anderthalbhänder. Ich glaube, von Rebeeka wird man noch hören.«
    »Dafür bete ich«, seufzte Juneeda. »Unser Volk braucht starke Frauen wie sie.« Und wehmütig fügte sie hinzu: »Wäre doch Aruula hier!«
    ***
    Nachts waren die Visionen am schlimmsten. Wenn es still wurde im Dorf der Kriegerinnen, wenn das quirlige Leben zur Ruhe kam und Einsamkeit auf den verschneiten Wegen lag, kamen sie wie Kolks in Juneedas Zimmer geflattert und hackten nach ihrem Verstand.
    Tausende Stimmen umwisperten die Priesterin. Was sie sagten, blieb ihr Geheimnis – sie waren zu leise, als dass man Worte hätte herausfiltern können.
    Juneeda stöhnte wie unter körperlichen Schmerzen. Kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn, als sie den Kopf auf ihrem zerwühlten Kissen herumwarf im nutzlosen Versuch, den Stimmen zu entfliehen.
    »Geht weg!«, flüsterte sie gepeinigt.
    Schatten huschten davon, in alle Richtungen, kehrten dann langsam zurück. Juneeda konnte es sehen und wand sich vor Angst. Denn ihre Augen waren geschlossen!
    »Rette mich, Wudan, ich flehe dich an!«, wimmerte sie.
    Vor einigen Wochen, als die Visionen begannen, hatte Juneeda geglaubt, sie wäre krank. Ein Gehirntumor vielleicht. Doch dann berichteten auch andere von den Stimmen und von Schatten, die man gegen jede Logik selbst in völliger Finsternis sah. Juneeda fand heraus, dass alle betroffen waren, die zu ihrem Zirkel gehörten: die besten, machtvollsten Telepathinnen des Inselvolks!
    Maddrax hatte sie um Hilfe gebeten, weil ein Feind aus dem All nahte, der bei seiner Jagd auf ein anderes kosmisches Wesen alles Leben auf der Erde auszulöschen drohte. Die Frauen sollten ihm auf telepathischem Weg klarmachen, dass der Wandler nicht mehr hier war, und ihn dazu bewegen, diesen Planeten zu verschonen. Gelang das nicht, sollten sie wenigstens nach einer Schwachstelle des Streiters suchen.
    Die Telepathinnen erreichten das kosmische Wesen auch, doch es war viel zu mächtig und zu fremd, um sich mental mit ihm auszutauschen. Sie spürten die abgrundtiefe Bosheit, den Hass und eine unersättliche Gier und zogen sich zurück, bevor ihre Seelen Schaden nehmen konnten.
    Doch offenbar nicht schnell genug. Der kurze Kontakt hatte ausgereicht, um etwas in ihnen zu verankern, das sich nun losmachte und ihre Gedanken vergiftete.
    Mit Schatten und Stimmen. Folterknechte einer Kreatur ohne Gnade. Sie setzten sich in den Köpfen der
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