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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad
Autoren: Stephanie Seidel
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Kohleofen den Hintern zu wärmen. Aber er hatte keine Lust dazu.
    »Ach, Ihr seid es, Herr!«, keuchte einer der Männer. »Darf ich fragen, wo Ihr hinwollt um diese Zeit?«
    »Sicher«, sagte Rulfan und ging weiter. Das fehlte gerade noch, dass er seinen Bediensteten Rede und Antwort stand!
    Die Auffahrt zur Burg war geräumt und mit Asche bestreut. König Stuart und sein Gefolge wurden für morgen früh erwartet, da wollte man nichts riskieren. Der König sollte heil ankommen. Er war immerhin der Zeremonienmeister.
    »Warum hat er nicht abgesagt?«, klagte Rulfan. »Jed ist doch mein Freund! Er hätte absagen können!«
    Er verließ den Weg und begann querfeldein übers Land zu wandern. Es tat gut, bis zu den Knöcheln im Schnee einzusinken und die würzige kalte Winterluft zu atmen, während der Wind von den fernen Hügeln das Heulen wilder Lupas herantrug. Rulfan fühlte sich an alte Zeiten erinnert, als Freundschaft über allem stand und Freiheit noch eine Selbstverständlichkeit war.
    Sein Herz wurde schwer.
    Wo waren sie hin, die Jahre mit Matt, Aruula und all den anderen Gefährten – Mr. Black, Aiko Tsuyoshi, Honeybutt Hardy, Pieroo oder Quart’ol? Fremde Länder. Abenteuer. Neue Wege. Nächte am Lagerfeuer und Tage voller Kämpfe und Entbehrungen. Die niemals endende Sehnsucht nach der Ferne...
    Es gab noch so vieles zu erkunden, und auch viele Orte, die Rulfan gern ein weiteres Mal besucht hätte. Ewigkeiten war er nicht mehr in Waashton gewesen.
    Doch daraus würde nichts werden. Canduly Castle war seine Endstation. Denn er hatte etwas getan, das er nie hätte tun dürfen.
    Es war drei Wochen, fünf Tage und ungefähr zwölf Stunden her, dass Myrial ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verbannt hatte. Nicht nur, um ihm zu zeigen, was sie von seinen ständigen Eskapaden und Abwesenheiten hielt. Sondern auch, um ihm die Pistole auf die Brust zu setzen.
    Schon sein Sohn Leonard Pellam war unehelich geboren worden. Einem zweiten Kind wollte sie diesen Makel nicht antun. Dabei wünschten sie es sich doch beide. Myrial hatte sogar schon einen Namen ausgewählt, falls es ein Mädchen werden sollte: Canduly Kay.
    Rulfan schüttelte den Kopf. Heiraten! Das Wort hatte einen bitteren Beigeschmack. Nach Kerker und Kontrolle. Und, ja, auch nach Verantwortung. Der er sich nicht länger würde entziehen können.
    »Sie hat ja recht«, murmelte der Albino. »Aber was soll ich machen? Ich bin nun mal so! Mir geht die Freiheit über alles.«
    Das hatte er sich zweieinhalb Wochen lang immer wieder eingeredet, und vielleicht stimmte es ja sogar. Aber es hatte ihn letztlich nicht davor bewahren können, zu kapitulieren. Vor einer Woche war Rulfan eingeknickt. Er hatte an die Schlafzimmertür geklopft und geseufzt: » Na schön, also meinetwegen: Lass uns heiraten! Machst du jetzt bitte auf?«
    Doch Myrial dachte gar nicht daran, ihn gleich wieder in ihr Bett zu lassen. Sie wollte zuerst Gewissheit haben, dass er es auch wirklich ernst meinte.
    Um das zu beweisen, brachte Rulfan Einladungen auf den Weg – was Tage dauerte, weil er berittene Boten einsetzen musste. Zwar hatte der Erfinder Meinhart Steintrieb ein neuartiges Funkgerät konstruiert, das die restliche CF-Strahlung in der Luft nutzte, um über weite Strecken zu senden – aber noch verfügte keiner der befreundeten Stammesfürsten über einen entsprechenden Empfänger. Außerdem war Steintrieb nicht hier; er war mit Matthew Drax zum Südpol gereist.
    Natürlich bestand Myrial auch darauf, Jed Stuart einzuladen; und mehr noch: Der König sollte die Trauung selbst vornehmen. Rulfan hatte einen Boten nach Stuart Castle gesandt, um die Bitte vorzutragen, und Jed hatte sie mit Freuden akzeptiert.
    Mit Freuden! Verräter!
    Myrial war überglücklich – und ließ den Vater ihres Sohnes noch immer nicht an sich heran. »Nach der Hochzeit, mein Lieber«, gurrte sie mit unschuldigem Augenaufschlag. »So hast du etwas, worauf du dich noch mehr freuen kannst als auf die Zeremonie.«
    »Ich bin’s ja selbst schuld«, sagte Rulfan in einem Moment der Einsicht zu sich selbst. »Was lasse ich sie auch dauernd allein und treibe mich in der Weltgeschichte herum? Ich kann froh sein, dass sie mich nicht längst verlassen hat.«
    Denn das war die andere Seite der Medaille: Er liebte Myrial. Aus vollem Herzen und ohne Wenn und Aber. Auch wenn er sich das in solchen Momenten kaum eingestehen wollte.
    »Das war’s also!«, seufzte er. »Unfassbar! Da habe ich so vielen Gefahren
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