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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad
Autoren: Stephanie Seidel
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länger anhören zu müssen«, Wieder sah sie zu dem Gestaltwandler empor. »Der Flächenräumer liegt am Südpol. In der Nähe der Küste.«
    »Oh«, meinte Grao. »So weit entfernt? Ich werde ein Transportmittel brauchen.« Sein Kopf verschwand aus der Öffnung, als er sich erhob.
    »He!«, rief Orlaando. »Was ist nun? Lass uns frei!«
    Aruula stieß ein verächtlich zischendes Geräusch aus. »Ich wusste es: Man kann ihm nicht trauen. Er lässt uns verrotten«, Sie war nicht einmal wütend, nur resigniert.
    Oben tauchte Graos Echsenfratze wieder auf. »Aber nicht doch! Ich stehe zu meinem Wort. Ich lasse euch gehen – sobald ich die Dreizehn Inseln verlasse. Wenn euch das zu lange dauert, beschwert euch doch bei der Königin.« Seine Gesichtszüge nahmen für wenige Augenblicke Aruulas Erscheinung an. »Ach nein, das bin ich ja selbst.«
    Der Kopf verschwand. Und mit ihm zerlief auch das Bild vor ihren Augen in dunkle Schleier. Lichtpunkte tanzten darin herum. Etwas zog ihren Kopf nach hinten, und da war ein Aufblitzen wie von einer Klinge.
    Nur ein einziger Herzschlag lag zwischen dem Begreifen, dass ihr Leben in höchster Gefahr war, und ihrem Handeln. Aruulas Hände flogen hoch, packten den Feind. Sofort ballte die Barbarin die Faust und schlug zu – mit der Härte ihres ganzen Überlebenswillens.
    Jemand wimmerte kurz. Stahl klirrte auf Stein.
    Es ist noch nicht vorbei!, warnte eine innere Stimme.
    Verbissen kämpfte sich Aruula aus dem traumähnlichen Zustand heraus, der ihren Geist beschäftigt gehalten hatte, während ihr Körper schutzlos zurückblieb. Nach und nach klarten die Schleier auf, hinter denen die Realität für kurze Zeit verschwunden war.
    Aruula fand sich in der nur allzu bekannten Höhle wieder. Schneeflocken rieselten durch den Felsenkamin auf ihren Mitgefangenen, der zusammengekrümmt am Boden lag. Neben ihm schimmerte ein Messer aus dem Halbdunkel.
    »Orlaando?«, fragte Aruula erstaunt. Sie schnellte vor und nahm die Waffe an sich. Dann erst zog sie den Mann herum. »Orlaando! Was hast du getan?«
    »Ich... ich wollte dich erlösen«, stammelte er. Blut lief aus seinem Mundwinkel und vermischte sich mit den Tränen, die der junge Mann nicht länger zurückhalten konnte. »Nur ein kleiner Schnitt in den Hals. Ich dachte, solange du im Fieberwahn bist, merkst du nichts davon. Du wärst sanft entschlafen, meine Königin.«
    »Ich wäre – was ?«, brüllte Aruula und holte aus. Fast hätte sie erneut zugeschlagen. Doch sie besann sich: Orlaando war ein bejammernswerter Einfaltspinsel! Außer inzwischen erschlafften Muskelpaketen und einem hübschen, wenn auch ziemlich ausgemergelten Gesicht hatte er nichts aufzuweisen. Kaum Hirn, wenig Mut.
    Und trotzdem hat er versucht, mich zu töten! , dachte Aruula grimmig. Mag sein, dass er es gut meinte. Aber das fehlt mir gerade noch, dass ich wie Schlachtvieh ende!
    Sie schob das Messer in ihren Stiefelschaft zurück. Grao’sil’aana hatte es übersehen, als er sie hier einkerkerte. Es hatte ihnen aber auch wenig geholfen. Nur ihre Nahrung hatten sie damit einfacher zerteilen können.
    Ich muss vorsichtig sein! Aruula stemmte sich hoch, suchte Halt an der kalten Felswand, bis das Schwindelgefühl nachließ. Keine Träume mehr! Kein Aufgeben! Wer weiß, was der Blödmann sonst noch mit mir macht!
    Taumelnd ging sie los. Auf den dunklen Schlund zu, hinter dem das Labyrinth begann. Irgendwo in seinen Tiefen lag der Ausgang, den Grao’sil’aana mit einem Felsen blockiert hatte. Weiter als bis dorthin hatte sich Aruula nie vorgewagt – aus Sorge, auf den verschlungenen Pfaden die Orientierung zu verlieren, und weil Orlaando ihr versichert hatte, es gäbe keinen zweiten Weg nach draußen. Doch jetzt, an der Schwelle des Todes, war diese Sorge unerheblich geworden.
    Ich versuche noch einmal, einen Weg zu finden, dachte Aruula tapfer. Wenn es nicht klappt, kann ich Wudan wenigstens sagen, dass ich ehrenvoll gestorben bin. Als Kriegerin bis zum bitteren Ende.
    ***
    Kurz zuvor, beim Volk der Dreizehn Inseln
    » Wie konnte Aruula das tun?«, stieß Rebeeka aus. »Sie sollte uns regieren und beschützen. Stattdessen hat sie uns in einen Krieg geführt und in Gefahr gebracht – und ist dann ihrer Wege gegangen! Als wären wir nur ein bedeutungsloses Zwischenspiel gewesen.«
    Die junge Kriegerin stand am Ufer der Königsinsel; es war Abend und mit der auslaufenden Flut trieb ein brennendes Boot davon. Die Flammen beleuchteten die Gesichter der ganzen
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