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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden
Autoren: Karl May
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aufzuknüpfen?“
    „Ja, und nun haltet den Schnabel, Mann! Ich habe keine Zeit, müßige Fragen anzuhören und –“
    „Müßige?“ unterbrach ich ihn. „Ich habe nicht nur allen Grund, sondern sogar die heiligste Pflicht, diese Fragen auszusprechen, denn die Indsmen hier sind unschuldig, und ihre Ankläger sind die Mörder.“
    „Halloo! Wie kommt Ihr zu dieser Behauptung?“
    „Wir wußten schon gestern von dem geplanten Mord, konnten ihn aber leider nicht verhindern. Führt uns zum Kommandanten des Forts; wir werden das, was ich behauptet habe, vollständig beweisen.“
    „Das geht nicht so schnell, wie Ihr denkt. Ich habe strengen Befehl, die Leichen zu begraben und die Mörder an den Hälsen so hoch zu binden, daß ihre Füße den Boden nicht erreichen.“
    „Dagegen wird kein Mensch etwas haben, vorausgesetzt, daß es die Mörder auch wirklich sind, welche aufgeknüpft werden. Erlaubt mir, Euch zu sagen, was wir wissen!“
    Er tat mir trotz des erhaltenen Befehls den Gefallen, mich anzuhören. Als ich geendet hatte, betrachtete er uns mit einem Blick des Erstaunens und sagte:
    „Hm! Ihr habt ganz das Aussehen von Gentlemen, die hier im wilden Westen so grün sind, wie kaum ein Laubfrosch grün sein kann, aber aus Euern Worten geht eine Beobachtungsgabe hervor, die ich mit allem Respekt anerkennen muß. Sollten dieser Grinder und dieser Slack uns wirklich belogen haben. Sehr gentlemanlike sahen sie allerdings nicht aus. Einen Teil des Befehls, nämlich die Begrabung der Leichen, muß ich unbedingt ausführen; die Unterlassung des anderen Teils will ich auf Eure Aussage hin wagen. Aber wehe Euch, Sir, wenn Ihr geflunkert habt! Ich lasse nicht mit mir spaßen!“
    Er wählte sechs Mann aus, welche mit den mitgebrachten Spaten zum Ausstechen der Gräber weiterreiten mußten; dann nahm er mich und Winnetou mit den beiden Gefesselten in die Mitte, um nach dem Fort zurückzukehren. Er hatte trotz der Wichtigkeit meiner Aussage gar nicht daran gedacht, nach unsern Namen zu fragen. Die Caddo-Indianer durften nicht mit uns sprechen, aber die Blicke, die sie uns zuwarfen, sagten uns ebenso deutlich, wie Worte, welche Dankbarkeit sie für uns fühlten.
    Es waren nur wenige Minuten vergangen, seit wir uns in Bewegung gesetzt hatten, so begann es erst leise und dann immer stärker zu schneien, und der Schnee schmolz nicht, weil die Temperatur plötzlich um mehrere Grad gesunken war. Winnetou musterte mit einem Blick, welcher mir auffiel, den Himmel und den Horizont, und als wir das Fort vor uns auftauchen sahen, war die ganze Gegend bereits mit einer mehrere Zoll hohen Schneelage bedeckt. Das war höchst fatal, weil dadurch die Spuren verloren gingen, mit denen wir die Wahrheit unserer Aussage hatten beweisen wollen.
    Fort Hillock hatte nur den Namen, nicht aber die Beschaffenheit eines Forts. Auf einem mit Planken eingezäunten Viereck waren Blockhütten errichtet. Lange, hölzerne, schuppenartige Bauwerke gaben der Niederlassung mehr das Aussehen einer Warenniederlage als eines Festungswerkes, und nur die kaum mehr sichtbaren schmutzig-weißen Überreste ließen erkennen, daß der Platz von einem hohen und starken Schneewall umgeben gewesen war, den die Witterung der letzten Tage weggeschmolzen hatte. Vor Indianern schien man sich nicht zu fürchten, denn das Tor stand weit offen, als wir einrückten. Wie wir aus der Beschäftigung der anwesenden Soldaten ersahen, schienen die erwähnten Schuppen als Stallungen und Futtermagazine zu dienen. Von dem Hufgetrappel unserer Pferde gerufen, kamen aus einer der Blockhütten zwei Offiziere, ein Leutnant und ein Kapitän, welch letzterer sein Gesicht in sehr strenge Falten zog, als er uns erblickte. Der Führer unseres Trupps stieg vom Pferd und trat auf ihn zu, um ihm seine Meldung zu machen. Auch wir sprangen aus dem Sattel.
    Der Kapitän folgte dem Bericht seines Untergebenen mit keiner allzu großen Spannung, und als er sich uns dann näherte, sahen wir seine Aufmerksamkeit viel weniger auf uns, als auf unsere beiden Pferde gerichtet. Er musterte sie mit Kennerblicken und rief dann aus:
    „Thunderclap, welch herrliche Geschöpfe das sind! Die kaufe ich euch ab, Gens! Was sollen sie kosten?“
    Er hielt es erst bei dieser Frage für nötig, uns anzusehen. Winnetous Anblick hatte nicht die geringste Wirkung auf ihn; aber als sein Blick auf mein Gesicht fiel, sah ich den Ausdruck der Überraschung in dem seinigen erscheinen.
    „All devils!“ rief er aus. „Wen sehe
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