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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden
Autoren: Karl May
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einen bestimmten Grund gehabt, das Messer der Kugel vorzuziehen?
    Was wir zu tun hatten, war leicht einzusehen. Wir durften uns nicht bei den Leichen aufhalten, sondern mußten den Mördern folgen, welche ihre Opfer, wie wir sahen, nicht vollständig ausgeraubt, sondern ihnen nur das Gold und die Gewehre abgenommen hatten und dann mit den zwei erbeuteten Pferden fortgeritten waren. Wir galoppierten also auf ihrer Fährte weiter, welche zu unserem Erstaunen genau in der Richtung auf Fort Hillock führte. Lag nicht in der Missetat selbst der triftigste Grund, diesen Ort zu meiden?
    Nach vielleicht einer halben Stunde sahen wir, daß die Reiter angehalten hatten. Es gab da nicht nur Huf-, sondern auch Fußspuren, und von dieser Stelle an teilte sich die eine vierpferdige Spur in zwei zweipferdige Fährten.
    Was hatte das zu bedeuten? Wir hielten an, und Winnetou rief aus:
    „Uff! Hier gingen die roten Caddo-Männer und haben von den Mördern die geraubten Pferde geschenkt erhalten!“
    Mit welcher Sicherheit traf der unvergleichliche Scharfsinn Winnetous hier wieder einmal das Richtige! Die Mörder hatten die armen Roten hier eingeholt und ihnen die Pferde geschenkt, um den Verdacht von sich ab auf sie zu lenken. Darum hatten sie ihre Opfer auch nicht erschossen, sondern erstochen, weil die Caddo-Indianer keine Gewehre, sondern nur Pfeile, Bogen und Messer besaßen. Die bedauernswerten Roten waren also schon gestern ausersehen gewesen, die Schuld anderer büßen zu sollen. Wie nichtsahnend sie in diese Falle gegangen waren und welche ungeheure Frechheit die Mörder besaßen, ersehen wir daraus, daß die beiden Spuren mit dem nur einzigen Unterschied auf Fort Hillock zuliefen, daß Grinder und Slack einen Umweg gemacht hatten, jedenfalls um ihren Raub zu verbergen und dann später als die Indianer auf dem Fort anzukommen und sie da zur Anzeige zu bringen.
    Während wir hierauf weiterjagten, schüttelte Winnetou seine langen, prächtigen, blauschwarzen Haare aus dem Gesicht, daß sie wie eine Mähne hinter ihm herflogen, und preßte zornig zwischen den halbgeschlossenen Lippen hervor:
    „Hier sieht mein Bruder Scharlieh wieder einmal, wer besser ist, die Weißen oder die Roten. Trotzdem ist das Geschick auf der Seite der Bleichgesichter; wir aber müssen verderben und untergehen! Uff, uff, uff!“
    Was sollte, was konnte ich ihm antworten? Nichts! Übrigens hätten wir jetzt auch keine Zeit zu einer Auseinandersetzung über diese traurige Frage gefunden, denn wir sahen am Horizont vor uns eine Reiterschar auftauchen, welche uns entgegenkam. Da diese Leute fast ebenso schnell eilten wie wir, trafen wir sehr bald zusammen. Es war ein Teil der Besatzung des Fort Hillock, von einem Leutnant angeführt. Diese Kavalleristen führten in ihrer Mitte die beiden Caddo-Indianer mit sich, welche gefesselt und an die Pferde gebunden waren. Als der Offizier das Kommando zum Halten gegeben hatte, warf er uns die Frage zu:
    „Woher des Weges, Mesch'schurs?“
    „Von Fort Niobrasa“, antwortete ich.
    „Auf dieser Fährte hier?“
    „Ja.“
    „Habt ihr heute vielleicht etwas Auffälliges gesehen?“
    „Allerdings, Sir, nämlich die Leichen zweier Männer, welche ermordet und beraubt worden sind.“
    „Well, stimmt! Wie weit ist der Ort von hier entfernt?“
    „Drei Viertelstunden. Ich sehe da zwei Indsmen, welche gefesselt sind. Aus welchem Grund hat man sie gebunden?“
    „Weil sie die Mörder der beiden Männer sind, deren Leichen ihr gesehen habt. Wir schaffen sie an Ort und Stelle, um ihre Opfer zu begraben und sie über den Gräbern aufzuhängen. Ihr wißt vielleicht, daß die Justiz hier im Westen eine schnelle ist.“
    „Das weiß ich allerdings, Sir; aber wißt Ihr ebenso genau, daß diese Indianer wirklich die Schuldigen sind?“
    „Natürlich sind sie es. Sie sind ja mit den Pferden und Gewehren der Toten angetroffen worden!“
    „Woher wißt Ihr, daß diese Pferde und Gewehre den Ermordeten gehört haben?“
    „Mann, wer gibt Euch das Recht, mich so auszufragen? Ihr seid ein Unbekannter, der gar nicht so aussieht, als ob er hierher in den Westen gehört; ich aber bin Offizier und Euch jedenfalls keine Rechenschaft schuldig!“
    Nach dieser Zurechtweisung wandte er sich von mir ab, um das Kommando ‚Weiterreiten‘ zu geben; ich aber kam ihm zuvor:
    „Halt, Sir! Noch einen Augenblick! Es befinden sich zwei Personen im Fort, auf deren Anzeige hin Euch der Befehl geworden ist, diese beiden Indsmen
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