Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
beten!“
    Er machte eine Bewegung, die kraftlos an seinen gebrochenen Armen hängenden Hände zu falten, doch vergeblich. Ich legte sie ihm zusammen und betete laut das heilige Vater unser und dann noch weiter, was ich fühlte und dachte. Auf sein Gesicht kam ein leises, fast frohes Lächeln – eine langsame, müde Kopfbewegung wie einer, der einschlafen will, dann war es vollbracht; Old Cursing-Dry war tot. Möge keiner seiner Flüche ihm in das Jenseits gefolgt sein!
    Winnetou zog mich aus den Knien in die Höhe und sagte:
    „Nun hat mein Bruder Charley doch noch seinen Willen gehabt: Die Seele dieses Mannes hat sich zum großen, guten Manitou gefunden. Sein Körper aber mag mit dem seines Sohnes in der Erde ruhen, bis am ewigen, lichten Tag die Seele wieder zu ihm kehrt. Howgh!“ – – –

Ein Blizzard
    Der vorigen Erzählung mag ein anderes Ereignis folgen, welches mit derselben erschütternden Unwiderleglichkeit beweist, daß die ewige Gerechtigkeit den Menschen, welcher allzusehr auf Gottes Langmut rechnet, endlich und plötzlich grad mit derjenigen Strafe packt, welche mit natürlicher Notwendigkeit aus der betreffenden Sünde hervorgehen muß.
    Ich war mit Winnetou, dem herrlichen Häuptling der Apachen, den ja alle meine Leser schon längst kennen, jenseits der Felsenberge bei befreundeten Indianern auf der Herbstbüffeljagd gewesen und dann mit ihm über das Gebirge und trotz der späten Jahreszeit quer durch ganz Wyoming bis nach Fort Niobrasa in Nebraska geritten, wo uns der Winter überraschte. Da auf diesem Fort oft Sioux erschienen, welche uns ganz unverdienterweise als ihre Todfeinde betrachteten, so hüteten wir uns natürlich, unsere Namen zu sagen. Es war für alle Fälle besser, wenn niemand wußte, daß Winnetou und Old Shatterhand anwesend seien. Weil unsere Jagdanzüge vollständig defekt waren und wir nach dem zivilisierten Osten wollten, kauften wir uns im Fort anständige Anzüge aus warmen Winterstoffen und dicke Reitdecken dazu. In dieser Kleidung sah ich nicht wie ein Westmann aus, und da ich mich Mr. Beyer nannte und Winnetou kaum einen Augenblick von meiner Seite wich, so war er bald nur als ‚Mr. Beyers Indianer‘ bekannt.
    In Fort Niobrasa wurden wir leider vollständig eingeschneit; das ganze weite Land war unwegsam geworden, und wir sahen uns gezwungen, den ganzen Dezember und Januar in dieser Einsamkeit festzusitzen. Gesellschaft fanden wir nur an den wenigen Offizieren der Garnison, von denen ich auch nicht sagen kann, daß sie uns sehr sympathisch gewesen seien; um die übrige Soldateska bekümmerten wir uns nicht mehr, als unumgänglich nötig war, und was die andern auf dem Fort Anwesenden betrifft, so gab es unter ihnen nur zwei Personen, mit denen wir uns zuweilen unterhielten. Das waren die Brüder Burning aus Moberly in Missouri, welche in den Blackhills glücklich nach Gold gegraben hatten und sich jetzt mit dem Ertrag ihrer schweren Arbeit auf dem Heimweg befanden. Beide waren verheiratet, sehnten sich nach den Ihrigen und empfanden es darum schmerzlich, durch diesen Schnee für so lange festgehalten zu werden.
    Außerdem hatte sich noch allerhand Volk im Fort zusammengefunden, lauter zweifelhafte Existenzen, mit denen die Burnings nicht verkehrten. Es gab da allerhand Roheiten; es wurde viel Pulver verknallt, viel gespielt, viel gewettet und noch mehr getrunken, und es herrschte dabei ein Ton, der mir so zuwider war, daß ich den allgemeinen Barroom nur dann betrat, wenn es unumgänglich nötig war. Am rohesten betrugen sich zwei Kerls, welche Grinder und Slack hießen. Sie waren Falschspieler, notorische Säufer und rücksichtslose Raufbolde, ohne aber wirklichen Mut zu besitzen. Es verging kein Gelage, ohne daß sie einen Raufhändel in Szene setzten; ganz besonders aber schienen sie es auf die Art der Duelle, welche man amerikanische nennt, abgesehen zu haben; aber stets wußten sie es so zu machen, daß nicht sie, sondern andere die Angelegenheit zum Austrag zu bringen hatten. Sie bramarbasierten eben nur, waren aber feig. Am widerlichsten unter ihnen war mir der Umstand, daß jeder von ihnen sich eine stehende Redensart angewöhnt hatte, welche man täglich hundertmal hören konnte, als Schwur, als Beteuerung, überhaupt bei jeder Gelegenheit. Das ständige Wort Grinders war, ‚ich will gleich erblinden‘, während sein Kumpan die Lästerung ‚Gott soll mich wahnsinnig machen‘ im Mund führte.
    Mit diesen beiden Menschen kam ich nur ein einziges
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher