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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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erkennen. Herzlich willkommen in unserem Freundeskreis...
    »So funktioniert es bei Menschen«, sagte Kostja. Auf seiner Stirn standen jetzt zwar Schweißtropfen, dennoch wirkte er rundum zufrieden. »Genau so.« »Was hast du jetzt vor?«, fragte ich.
    »Ich möchte ein Anderer unter Anderen sein«, sagte Kostja. »Ich möchte, dass das alles aufhört... Lichte und Dunkle, Menschen und Andere, Magier und Vampire. Alle sollen zu Anderen werden, begreifst du das? Alle Menschen auf der Welt.«
    Ich lachte. »Kostja ... du brauchst zwei oder drei Minuten pro Mensch. Wie steht's mit deinen Kenntnissen in Arithmetik?«
    »Hier hätten auch zweihundert Menschen stehen können«, erklärte Kostja. »Dann wären sie jetzt alle Andere geworden. Hier hätten zweitausend Menschen stehen können. Der Zauber wirkt auf alle, die sich in meinem Blickfeld befinden.« »Trotzdem...«
    »In anderthalb Stunden startet vom Kosmodrom Baikonur die nächste Rakete zur Internationalen Raumstation«, sagte Kostja. »Ich glaube, der deutsche Weltraumtourist wird mir seinen Platz überlassen müssen.« Einen Moment lang schwieg ich und wog seine Worte ab.
    »Ich werde ganz ruhig am Fenster sitzen und auf die Erde glotzen«, verkündete Kostja. »Wie es sich für einen Weltraumtouristen gehört. Ich werde auf die Erde schauen, etwas Blut aus der Flasche auf den Seiten verschmieren und den Zauberspruch flüstern. Und weit unter mir werden die Menschen zu Anderen. Alle Menschen, verstehst du? Vom Säugling in der Wiege bis zum Greis im Rollstuhl.«
    Jetzt wirkte er fast wie ein Lebender. Durch und durch. In seinen Augen loderte etwas, das nicht der Vampirkraft entsprang, sondern normalem menschlichen Eifer.
    »Anton, du hast doch selbst auch schon davon geträumt, oder? Dass es keine Menschen mehr gibt! Dass alle gleich sind!«
    »Ich habe davon geträumt, dass alle zu Anderen werden«, sagte ich. »Aber nicht davon, dass es keine Menschen mehr gibt.«
    Kostja verzog das Gesicht. »Hör doch auf! Das sind Wortklaubereien ... Wir haben die Chance, die Welt zum Guten zu verändern, Anton. Fuaran konnte das nicht, denn zu ihrer Zeit gab es noch keine Raumschiffe. Geser und Sebulon können das nicht, denn sie haben das Buch nicht. Aber wir, wir können es! Ich will keine Macht, versteh mich doch! Ich will Gleichheit! Freiheit!«
    »Glück für alle, und umsonst?«, fragte ich. »Und dass niemand gekränkt fortgeht?« Er verstand mich nicht.
    »Ja, Glück für alle! Die Erde den Anderen! Und keine Kränkungen! Ich will, dass du mit mir kommst, Anton. Dass du dich auf meine Seite stellst.«
    »Das ist eine vorzügliche Idee«, rief ich und sah ihm in die Augen. »Kostja, du bist einfach fabelhaft!«
    Lügen konnte ich noch nie. Und einen Vampir zu täuschen, das ist fast unmöglich. Aber offenbar wollte Kostja unbedingt hören, dass ich ihm zustimmte. Er lächelte. Entspannte sich.
    In dem Moment hob ich die Hand und schlug mit der »grauen Andacht« zu.
    Das hatte nichts mehr mit dem Schlag zu tun, den ich ihm im Zug versetzt hatte. Die Kraft brodelte in mir, strömte aus meinen Fingerspitzen heraus! Ohne Ende! Wer kann schon wissen, dass er eine Leitung ist, solange kein Strom fließt?
    Der Zauber ließ sich sogar in der Menschenwelt erkennen. Schlingernde graue Fäden schossen aus meinen Händen, spannen Kostja ein, zogen sich um ihn zusammen, schnappten ihn sich, bildeten einen zuckenden grauen Kokon um ihn. Im Zwielicht geschah etwas Unvorstellbares: Ein tosender grauer Schneesturm brandete durch die Welt, im Vergleich zu dem der normale graue Nebel direkt farbenfroh wirkte. Jedem normalen, registrierten Vampir in einem Radius von mehreren Kilometern, so schoss es mir durch den Kopf, dürfte es jetzt auch nicht gerade prächtig gehen. Einzelne abprallende Zauberfragmente würden ihn wegfegen und dematerialisieren...
    Kostja fiel auf ein Knie. Er hielt sich, versuchte zu entkommen, aber die »graue Andacht« saugte die Kraft schneller aus ihm heraus, als er dem Zauber entgehen konnte. »Mein lieber Schieber!«, rief Lass begeistert hinter mir. Nie zuvor war so viel Kraft durch mich hindurchgeströmt.
    Mit der Welt um mich herum geschah etwas Seltsames. Das Flugzeug auf der Startbahn verlor seine Farbe, verwandelte sich in einen grauen steinernen Klotz. Der Himmel bleichte aus, wurde fahl und hing jetzt tief. Die Ohren schienen mit Watte zugestopft. Anscheinend drängte das Zwielicht in unsere Welt...
    Aber ich konnte nicht aufhören. Ich spürte:

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