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290 - In den Gärten von Sha'mar

290 - In den Gärten von Sha'mar

Titel: 290 - In den Gärten von Sha'mar
Autoren: Michael M. Thurner
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Blatt. Es würde ihr weitaus bessere Dienste als der Metallsplitter leisten. Sie bohrte es nahe an ihrem Körper ins Erdreich, durch jene Bereiche, die sie bereits aufgelockert hatte. Der feuchte Morast klebte hüftabwärts wie eine feste Masse an ihr und fixierte sie.
    Immer wieder stach sie nach unten, mit aller Kraft, tunlichst darauf bedacht, sich nicht selbst zu verletzen, um dann innezuhalten und mit bloßen Händen Erdreich beiseite zu schaufeln. Rasch, rasch! Der Lärm wurde lauter, vereinzelt drangen grässliche Schreie zu ihr herab. Sie kündeten vom Tod.
    Die Beine… sie kamen frei, Stück für Stück. Aruulas Haut brannte. Sie war von der Feuchtigkeit des Erdreichs aufgedunsen. Es bedurfte einer letzten Anstrengung, um sich ins Freie zu wühlen, sich aus der engen Umklammerung zu lösen.
    Es gelang unter Schmerzen. Aruula biss die Zähne zusammen und arbeitete sich ins Freie, vorbei an der Leiche, deren Schwert sie nun nutzte, um sich höher und höher zu hangeln.
    Frei! Endlich!
    Sie legte sich erschöpft auf den Rücken und rang nach Luft. Sie zitterte. Ihre Beine fühlten sich taub an. Sie schlug mehrmals mit den Händen gegen ihre Schenkel, um die Blutzirkulation zu beschleunigen und ihr Körpergefühl zurückzuerlangen.
    Die Käfer waren vor ihr zurückgewichen, krochen in weitem Umkreis an ihr vorbei und auf die beiden anderen noch lebenden Opfer zu.
    Aruula stemmte sich in die Höhe und sah nach den Frauen, deren Gesichter von Ungeziefer übersät waren. Sie nahm zwei weitere Fackeln von den Wänden, entzündete sie und rammte sie dicht bei den Köpfen in die Erde. Der Großteil der Tiere huschte in die Dunkelheit davon.
    Dann begann Aruula jenes Opfer, das ihr wacher und kräftiger erschien, auszugraben. Sie arbeitete verbissen und mit schmerzenden Muskeln, bis sie die Frau unter den Achseln packen und sie aus der Erde zerren konnte. Erschöpft blieb sie neben ihr stehen, die Hände auf die Knie gestützt. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie genug Atem gefunden hatte. »Du musst deine Leidensgenossin selbst ausgraben«, ächzte sie. »Verstehst du mich?«
    Die Frau, etwa achtzehn Jahre jung, nickte leicht. Ihr Blick war getrübt.
    Aruula drückte ihr das Metallstück in die Hand. »Nimm das zum Graben. Ich muss hinauf, um zu sehen, was dort vorgeht, und einen Weg in die Freiheit zu finden. Wenn es mir irgendwie möglich ist, komme ich zurück und helfe euch hier raus. Hast du das verstanden?«
    Wieder nickte die Frau und machte sich fahrig daran, die Erde um den Kopf ihrer Mitgefangenen aufzulockern. So etwas wie Hoffnung machte sich allmählich in ihrem Gesicht breit.
    Mehr Zeit blieb Aruula nicht. Sie durfte sich keinesfalls verzetteln. In der Zeit ihrer Gefangenschaft hatte sie einen Plan entwickelt, den sie nun umsetzen wollte.
    In ihrem desolaten Zustand würde sie kaum allein fliehen können. Es hätte ihr auch widerstrebt, die anderen Unglücklichen ihrem Schicksal zu überlassen. Ihre größte Chance bestand darin, nach weiteren Gefangenen zu suchen, die sich als Verbündete für eine Flucht gewinnen ließen. Je mehr sie waren, desto besser.
    Sie packte das Schwert und machte sich auf den Weg nach oben. Ihre Beine fühlten sich nach wie vor taub an, Nacken und Arme schmerzten. Die Voraussetzungen für einen Kampf waren nicht die allerbesten.
    Maddrax… was war mit ihm geschehen? Nicht zum ersten Mal stellte sie sich diese Frage. Hatten die Nohq'was ihn getötet? Niemand hatte ihr auf dem Marsch hierher eine Antwort auf diese Frage geben wollen. Nun würde sie es mit Hilfe der Waffe herausfinden.
    ***
    Das Ritual begann, als der Mond durch die Wolken lugte. Es klarte tatsächlich auf! Der Trommelwirbel erreichte einen vorläufigen Höhepunkt. Die Jünger kamen aus ihren Behausungen gekrochen. Die Hörner ihrer Buz waren mit Goldflitter beschmiert; in den Händen trugen sie Lanzen, Schwerter oder Netze. Allesamt wirkten sie angespannt und freudig erregt.
    Oguul trat aus dem Schatten und stellte sich breitbeinig vor die erste Gruppe Gefangener hin. Viele weitere würden im Laufe der Nacht folgen. Er begann mit tragender Stimme zu sprechen, in einem Dialekt, den niemand verstand, vielleicht mit Ausnahme einzelner Kultisten des innersten Zirkels. Seine Gesten wirkten martialisch, und die Männer rings um ihn antworteten mit ebenso kriegerischen Anfeuerungsrufen. Sie schrien aufgeregt, brachten sich gegenseitig immer mehr in Stimmung, um dann ihre Waffen in die Höhe zu recken und den
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