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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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mehr viel: Er wirkte so winterlich wie kahl.
    Vor der Freitreppe stapelten sich pralle Seesäcke, Kartons und Kisten. Drei behelmte SS-Männer, die das Portal bewachten, hörten den knatternden Motor und schauten auf. Ein hagerer Scharführer, im Gegensatz zu den beiden anderen nur mit einer Pistole bewaffnet, stiefelte die Treppe herunter und hob die Hand zu einem Gruß, der in Hasso nur Abscheu erzeugte. Der Unversehrtheit seines Halses willen erwiderte er ihn jedoch, als der Wagen angehalten hatte und er ausgestiegen war.
    »Wer hat hier das Kommando?«, schnauzte er den Mann an, denn eins wusste er: Mit SS-Leuten kam man nur zurecht, wenn man seinen Dienstgrad ausspielte. »Und was machen Sie hier, verdammt noch mal?«
    Die Miene des Scharführers gefror. Seine Augen verengten sich zu tückischen Schlitzen. »Bei allem Respekt, Herr Leutnant«, knirschte er. »Bevor Sie Fragen stellen, identifizieren Sie sich erst mal! Was glauben Sie, wen Sie vor sich haben? Irgendwelche Laufjungen?«
    Die Frechheit des Mannes schlug dem Fass den Boden aus, doch Hasso hatte nicht vor, sich im Wehrmachts-Brüllton zu revanchieren. Es gab bessere Methoden, einen Dienstgrad, der gerade mal so etwas wie ein Unterfeldwebel war, zur Raison zu bringen. Er salutierte knapp. »Leutnant zur See von Traven.« Er deutete auf das Gebäude, das die SS gerade mit ihrer Anwesenheit entehrte. »Das Haus, das Sie gerade plündern, gehört meiner Familie.« Er stützte die Arme in die Hüften und rief, ohne sich umzudrehen: »Bootsmann Friedrichsen! Zu mir!«
    »Herr Leutnant?« Friedrichsens Antwort kam ebenso laut.
    Sekunden später eilte er die Treppe herauf und blieb wartend neben Hasso stehen.
    Der Scharführer war erbleicht. Bevor er ein weiteres Wort äußern konnte, fauchte Hasso: »Sie heißen, Scharführer?«
    »Sch-sch-scharführer Glitsch.«
    Was für ein passender Name , dachte Hasso. »Machen Sie gefälligst Platz«, sagte er, obwohl die Treppe zehn Meter breit war. » Sie werden mich nicht daran hindern, mein Elternhaus zu betreten.«
    »Ich… ähm…« Der Scharführer wirkte eine Sekunde unsicher, doch dann fing er sich und knallte die Hacken zusammen. »Bedauere, Herr Leutnant!«, brüllte er. »Aber ich habe Order, niemanden ins Haus zu lassen!« Er legte die rechte Hand auf seine Pistolentasche. Sein Blick flackerte unstet. Hasso nahm an, dass sein Vorgesetzter nicht damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet heute ein Angehöriger der Familie von Traven hier aufkreuzte.
    »Was machen Sie, wenn ich einfach reingehe, Glitsch?«, fragte Hasso wütend und schaute zu den beiden Sturmmännern am Portal hinauf, die den Wortwechsel hörten und blass an ihren Gewehren fingerten. Er kniff die Augen zusammen. »Wollen Sie mich erschießen?«
    »Zwingen Sie mich nicht dazu«, sagte Glitsch leise. »Ich kann nicht beurteilen, wer Sie sind.« Er schluckte nervös und öffnete die Pistolentasche. »Meine Befehle sind eindeutig.« Er ging rückwärts zwei Treppenstufen hinauf. Fühlte er sich dort sicherer? »Wenn Sie wirklich zur Familie von Traven gehören, rate ich Ihnen, hier zu warten, bis der Kommandoführer herauskommt.« Er deutete hinter sich. »Und falls Sie es für notwendig erachten, gewalttätig zu werden…« Sein Blick wanderte von Hasso zu Friedrichsen und zurück. »Die Wachen sind angewiesen, eigenmächtig zu handeln.«
    »Interessant, was, Friedrichsen?«, sagte Hasso.
    »Sehr interessant, Herr Leutnant«, erwiderte der Bootsmann.
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«, fragte Hasso Scharführer Glitsch, um nicht den Eindruck zu erwecken, er gäbe klein bei. »Der Reichsführer persönlich, oder irgendein Unterling, der zufällig erfahren hat, dass es hier was zu erbeuten gibt?«
    »Herrrr… Leutnant !«, fauchte Glitsch. »Für wen halten Sie uns?« Empörung schoss wie rote Farbe in seine Wangen.
    Für Hasso war dies ein Beweis, dass er zu den Clowns gehörte, die glaubten, für das Gute zu kämpfen. »Was bedeuten die Seesäcke und Kisten?«, schnarrte er. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie hier einen Umzug vornehmen?«
    Der Scharführer erstickte fast an seiner Wut, doch selbstverständlich wagte er nicht, ihr Ausdruck zu verleihen. Und wenn er tausendmal bei der SS war: Ein Leutnant zur See konnte ihn, wenn ihm danach war, auf der Stelle zu einem Nichts degradieren. »Ich bin nicht befugt, Ihnen Auskunft zu geben, Herr Leutnant«, erwiderte Glitsch. »Im Übrigen verweise ich auf die Auskünfte, die ich Ihnen
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