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254 - Das Nest

254 - Das Nest

Titel: 254 - Das Nest
Autoren: Michelle Stern
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schienen solche Überlegungen egal zu sein. Das mutierte Wildschwein war in ihren Schutzbereich eingedrungen und bedrohte ihr Rudel. Ein Kampf war also unausweichlich.
    Die Wisaau senkte den Schädel. Matt sah mächtige Hauer im Mondlicht schimmern.
    »Chira!«, rief Aruula mit dem Schwert in der Hand. »Hierher!«
    Für eine Sekunde war die Lupa abgelenkt - und der Eber nutzte seine Chance: Er stieß Chira den Kopf in die Seite. Chira wurde von dem Tier fortgewirbelt. Nun nutzte Matt seinerseits die Gelegenheit und feuerte den Driller ab! Das Explosivgeschoss ging an der Flanke der Wisaau hoch. Der Eber quiekte noch lauter, stürzte, kam wieder auf die kurzen Beine und galoppierte schwer blutend davon.
    Matt atmete erleichtert auf. »Chira?« Er sah sich suchend nach der Lupa um, die hinter ihm winselte.
    Aruula war bereits an ihrer Seite. »Nichts passiert«, beruhigte sie ihren Gefährten. »Zumindest kann ich keine offene Wunde sehen und Knochen scheinen auch nicht gebrochen zu sein. Es ist vermutlich nur Chiras Stolz, der da angeschlagen ist.«
    Matt grinste. »Na dann. Zumindest sind wir jetzt wach. Sehen wir zu, dass wir unentdeckt nach London kommen.«
    ***
    Zwei Wochen zuvor, Westminster Station
    Rulfan erwachte. Sofort spürte er wieder die Metallkette um seinen Hals, die mit einer Halterung in der teils rohen, teils von alten fleckigen Kacheln übersäten Wand festgemacht war, und widerstand dem Impuls, sie in eine etwas bequemere Lage zu rücken.
    Seit vier Tagen war er nun schon hier. Erst hatten ihn die so genannten Demokraten entführt, um Aruula und Matt zu zwingen, nach Guernsey zu reisen und seinen Vater herbeizuschaffen, an dem sie sich rächen wollten. Verrückterweise waren es ausgerechnet die Taratzen gewesen, die ihn aus dem Hauptquartier der Demokraten in Northolt befreit und hierher verschleppt hatten. Vom Regen in die Traufe , dachte der Albino düster.
    Dabei hatte er sich entscheiden müssen: Entweder dem Taratzenkönig auf der gemeinsamen Flucht gegen die Technos beizustehen oder ihm in den Rücken zu fallen. Da die Demokraten vorhatten, seinen Vater gegen ihn auszutauschen und ihn danach vermutlich hinzurichten, hatte er sich für ein Bündnis mit Hrrney entschieden. Nur so würde er versuchen können, Sir Leonard Gabriel zu retten.
    Aber natürlich hatte der Taratzenkönig ganz eigene Vorstellungen von diesem Bündnis. Für ihn schien es zu genügen, Rulfan nicht zu töten und seiner Meute zum Fraß vorzuwerfen. Dafür sollte der Mensch ihm den verschlossenen Bunker der Technos öffnen, in dem er Waffen zu finden hoffte.
    Nun, inzwischen stand der Bunker offen - nur konnten die Taratzen bis jetzt nichts mit den gefundenen Gerätschaften anfangen. Rulfan sollte sie in deren Gebrauch unterweisen.
    Er schauderte, als er daran dachte, wie es in dem einst so klinisch reinen Bunker heute aussah. Ein Teil der Anlage stand unter Wasser. Nach dem langen Winter war das Eis abgetaut und hatte den Bunker geflutet. Kriechtiere und schleimige Insekten hatten sich hier eingenistet. Im Wasser schwamm eine mutierte Tierart, die entfernt an Silberfischchen erinnerte, aber fingerlang war und zarte rotviolette Flossen besaß.
    Rulfan konnte es den Taratzen nicht verübeln, dort nicht einziehen zu wollen. Während die Titanglaskuppel, die sie noch vor wenigen Wochen bewohnt hatten, über ein funktionierendes Umwälzsystem verfügt hatte, war die Luft unten im Bunker so schlecht, dass es selbst den Taratzen zu schaffen machte. Deshalb waren sie vom ehemaligen Zoo in die gut zu verteidigende U-Bahn-Haltestelle in Westminster gezogen.
    Den Bunker hatten sie nur nach Hinterlassenschaften der Technos durchsucht: medizinisches Material, technische Geräte und einige wenige Waffen, die sie in den Privaträumen von Sir Leonard Gabriel entdeckt hatten.
    Hier im Taratzennest konnte man es besser aushalten, von einer Luxusherberge war es aber weit entfernt. Rulfan lag auf mehreren Fellen. Es roch nach Rauch und gebratenem Fleisch, und es stank entsetzlich nach Taratzen-Urin. Der Neo-Barbar sah sich in der ehemaligen U-Bahn-Station um. Gut fünfzig Taratzen waren hier versammelt; vielleicht der klägliche Rest des Taratzenvolkes, das den Einsturz der Titanglaskuppel überlebt hatte. Die meisten hockten am Feuer. Etliche Felllager waren auf dem steinigen Boden ausgebreitet, wie kleine Inseln in einem grauen Meer. Von der ursprünglichen Bemalung der unterirdischen Station war nichts mehr übrig. Die kleinen
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