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252 - Die Schrecken der Medusa

252 - Die Schrecken der Medusa

Titel: 252 - Die Schrecken der Medusa
Autoren: Volker Ferkau
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so schmeckte, wie Matt feststellte, als er hinein biss.
    »Du bist mutig. Aber nicht schlau, mein Lieber«, sagte Joonah. »Oder du bist zu schlau, und dein Mut wird dir zum Verhängnis. Wie dem auch sei - du irrst dich. Alles, was ich hier tue, wurde mir in vielen Visionen vorausgesagt. Die Götter erscheinen mir in meinen Träumen. Sie sagen mir in mystischen Bildern, was zu tun ist. Ich gebe es an Braham weiter, und gemeinsam deuten wir deren Willen.«
    »Und die Götter wollen, dass du über die ganze Insel herrschst«, fasste Matt seine Vermutung von heute Morgen in Worte. Er ahnte, woher Joonah seine Visionen bezog.
    Der Häuptling nickte. »Nach ihrem Willen bin ich der wahre Herrscher von Guunsay«, sagte er mit so viel drogenseliger Offenheit in der Stimme, dass Matt es ihm fast geglaubt hätte. »Ich bin auserwählt, diese Insel zu regieren.«
    »Und warum tust du es dann nicht?«
    »Eine kluge Frage.« Der Häuptling deutete dorthin, wo einst sein linkes Ohr gesessen hatte. »Siehst du das?«
    Matt nickte und spuckte zwei winzige Kerne aus, die sich in seinen Zähnen verfangen hatten.
    »Ich habe mein Ohr in einem Kampf gegen diesen verfluchten Emporkömmling und Lordkanzler Gundar verloren. Dieser Wicht will über Guunsay herrschen, obwohl er weiß, dass ich der wahre König bin. Er wedelt mit dem Zepter, sein Sohn Gundar der Kleine küsst ihm die Füße, und er glaubt, das Volk liebe ihn. Dazu kommt sein Berater, dieser Wolter Wallis, ein Gelehrter, der aus Irland kommt. Dieser gedrungene Molch vermittelt Gundar stets, welche großartigen und klugen Entscheidung er getroffen hätte, obwohl sie allesamt auf Wallis' Mist wachsen. Nach jeder Entscheidung trägt dieser Kerl das in ein Buch ein, welches er stets bei sich trägt. Pah - das sind Witzfiguren, Wichtigtuer, die sich mit Pomp umgeben und deshalb in Sainpeert leben.«
    »Du hast recht«, sagte Matt »Für zwei Könige ist die Insel zu klein.«
    »Gundar beruft sich auf einen Vorfahr, der schon vor Kristofluu Lordkanzler der Insel gewesen sein soll«, fuhr der Häuptling paffend fort. Er grinste breit und blinzelte. »Wenn ich ihm erst das Zepter der Macht aus dem Herrscherpalast stehle, wird jedermann wissen, wer der wahre MdI ist.«
    »MdI?«
    »Meister der Insel! - Aber wir haben genug palavert.« Gut gelaunt sprang der Hüne auf. »Ich hoffe, ich habe dir klar gemacht, wie es läuft.« Er zögerte einen Augenblick. »Sag mal, äh… warum bin ich überhaupt in deine Hütte gekommen?«
    Matt zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Keine Ahnung, ja, genau, keine Ahnung!« Joonahs Finger sprang vor und fuchtelte herum, während er die Pfeife an der Tischplatte ausklopfte und einsteckte. »Keine Ahnung ist gut. Hab ich auch nicht, fällt mir aber wieder ein. Jetzt gehe ich erst mal schlafen. Die Götter haben mir einiges zu sagen.« Er nickte und seine Wangen glühten. »Keine Ahnung ist gut…« Vor sich hin kichernd schloss er die Tür hinter sich.
    ***
    Victoria Windsor! Die britanische Queen! Aruula war derart geschockt, dass ihr der Atem stockte. Victoria war die Tochter des verstorbenen Königs Roger. Obwohl Aruula gewusst hatte, dass sie bei Sir Leonard gewesen war, hätte sie nie damit gerechnet, sie hier in diesem Turm vorzufinden - abgemagert, sichtlich gealtert und offensichtlich geistig verwirrt. Das lockige Haar stand ihr wirr vom Kopf ab, ihre Lippen waren gesprungen, und die Augen lagen tief in den dunklen Höhlen.
    Lady Windsor starrte Aruula an, und ihre nächsten Worte bewiesen, dass die Kriegerin sich nicht getäuscht hatte: »Wasser ist fein«, sagte die Queen und wackelte mit dem Kopf. »Hast du Wasser?« Sie blinzelte und ihre Finger hoben sich gegen Aruulas Gesicht. Die Fingernägel waren lang wie Katzenkrallen und schmutzig, als habe sie sich aus dem Erdreich gegraben wie ein Guul.
    Endlich kam Aruula wieder zu Atem. Der Anblick der ehemaligen Queen war so schauderhaft, dass ein Gedankenschluss nahe lag:
    War Victoria vielleicht die »Medusa«? Nicht, dass ihr Blick wirklich jemanden versteinern konnte. Aber immerhin lebte sie in diesem Turm, und wenn sie nachts durch die Gegend irrte, konnte man ihre abstehenden Locken durchaus für ein Schlangenhaupt und sie selbst für einen bösen Rachegeist halten.
    Hatte Maddrax also doch recht? Waren die Versteinerungen auf andere Weise entstanden, und man beschuldigte diese arme Frau zu Unrecht?
    Aruula hatte keine Zeit für lange Überlegungen. Sie musste handeln. Eines war ihr
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