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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora
Autoren: Mia Zorn
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Bad zu nehmen.
    Das Wasser war eine willkommene Erfrischung gewesen, der Fisch hatte köstlich geschmeckt, und die Gefährten hatten sich nach einem Nickerchen lange über die Sache mit dem Schamanen Aldous unterhalten. Inzwischen hatte die Sonne den Zenit verlassen und der frühe Nachmittag brach an. Wenn es nach Victorius gegangen wäre, hätten sie längst das Luftschiff für den Weiterflug startklar gemacht. Falls sie nicht wieder eine der unzähligen Pausen einlegen würden, könnten sie am nächsten Tag vor Einbruch der Dunkelheit in Taraganda sein. Doch sein weißhaariger Freund schien es nicht eilig zu haben, in seine neue Heimat zu kommen.
    Sie waren nun schon drei Tage unterwegs und der Prinz konnte sich nicht erinnern, je eine so lange Zeit für eine so kurze Strecke mit der schnellsten Roziere gebraucht zu haben. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto häufiger suchte Rulfan einen Vorwand, die Reise hinauszuzögern: Vorgestern waren es Kokosnüsse gewesen und gestern ein Baobabbaum, von dessen Rinde er unbedingt Lay etwas mitbringen wollte. »Ihre Heilkräfte sind von unschätzbarem Wert«, versicherte er Victorius. Als ob es in Taraganda keine Baobab geben würde, dachte der Prinz. Trotzdem wartete er geduldig, bis Rulfan den halben Baum abgeschält hatte. Heute nun war es der See.
    Mon dieu, was würde ihm als Nächstes einfallen? Nachdenklich schaute Victorius den Albino an. Der kaute gedankenverloren auf einem Grashalm herum. Wie eine dunkle Gewitterwolke hing der Ausdruck von Unbehagen und Zweifel auf seinem Gesicht. »Mon ami, willst du nicht endlich über deine Probleme sprechen?«, brach es aus dem schwarzhäutigen Prinzen heraus. »Glaubst du, Wimereux-à-l’Hauteur zu früh verlassen zu haben? Willst du Daa’tan und diese hässliche Echse im Auge behalten, bis Matt zurückkehrt? D’accord, fliegen wir zurück. Aber ich sage dir, die Kerkeranlage ist sicher. Und besser als die kaiserliche Garde kannst auch du die Gefangenen nicht bewachen.«
    Als hätte der Mann aus Salisbury die ganze Zeit schon darauf gewartet, sich endlich Luft zu verschaffen, stieß er die Antwort mit klarer Stimme hervor: »Es ist nicht Daa’tan. Jedenfalls nicht vorrangig. Es ist… es ist Taraganda, es ist Lay, und es ist diese verfluchte Unklarheit, wie es weiter gehen soll.« Zornig schnippte er den grünen Stängel von seiner Hand. Eine tiefe Falte grub sich in seine Stirn, als er seine langen Beine unterschob und sich dem Prinzen zuwandte. »Ich kann nicht ohne die Gesellschaft von zivilisierten Menschen sein. Das ist mir spätestens jetzt, nach den Wochen in Wimereux, klar geworden. Aber ohne Lay kann ich auch nicht sein. Gleichzeitig drängt etwas in mir zum Aufbruch in meine alte Heimat. Ich will nach Euree, muss endlich Gewissheit haben, wie es meinem Vater und meinen alten Freunden dort geht. Doch wie kann ich das ohne Lay?« Mit einem Ausdruck der Verzweiflung blickte er Victorius fragend an.
    Überrascht über die Heftigkeit der Worte seines Freundes und verwundert über dessen letzte Frage hob der schwarze Prinz die Schultern. »Wo ist das Problem? Nimm sie doch einfach mit!«
    Als hätte er in ein Wespennest gestochen, legte Rulfan nun erst richtig los. »Sie ist ein Kind der Wildnis, das hat sie mir immer wieder deutlich gemacht«, sagte er aufgebracht. »Sie fürchtet sich vor fliegenden Städten und hasst jede Form von Technik, sie flieht vor größeren Menschenansammlungen. Was soll sie da in Euree? Keine einzige Stunde würde sie es bei der Community aushalten. Es würde ihr genauso ergehen wie meiner Mutter. Genauso wie sie wird Lay unglücklich werden. Verstehst du?«
    Victorius verstand es nicht. Und so kam es, dass der Barbar mit den roten Augen ihm von seinen Eltern erzählte: Sir Leonard Gabriel, dem ehemaligen Prime von Salisbury, und Canduly Reesa, einer von Wölfen aufgezogenen Barbarin aus den Pyrenäen. Rulfan berichtete, wie er in der Wildnis geboren wurde und aus welchen Gründen seine Familie später zur Community in den unterirdischen Bunker bei Salisbury zog. Wie seine Halbschwester und seine Mutter es nicht lange im Bunker aushielten und eine Hütte bei Stonehenge bezogen, um Bruder und Sohn nahe zu sein.
    Und während Rulfan erzählte, entstand in Victorius das Bild eines kleinen Jungen, der bei seinen Besuchen bei Canduly unbeschwert zwischen den Steinriesen umher rannte. Dessen nackte Füße durch knöcheltiefe Pfützen patschten. Der jauchzte und lachte. Und später der größere
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