Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
sie mit Hilfe von langen Schnüren.«
    Matt kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was seine Begleiterin sah. Vergeblich. Ihre Augen, von einem Leben in freier Natur geschärft, waren weitaus besser als die seinen. »Bist du dir sicher?« fragte er.
    »Ja. Sie sind in dicke Kleidung gehüllt. Mit einer Hand lenken sie ihre Tiere, in der anderen halten sie lange Spieße. Sie sind auf der Jagd!«
    Für einen Augenblick überlegte Matt, den Kurs der Transportqualle zu ändern und den vermeintlichen Jägern zu folgen. Aber dort im Westen lag nicht ihr Ziel. Sie mussten weiter südwärts. Vielleicht fand sich später einmal die Gelegenheit, hierher zurückzukehren und den Spuren der Fischreiter zu folgen.
    Doch nicht jetzt. Nicht heute. Eine Waffe, so mächtig wie keine zweite, wartete darauf, gefunden zu werden.
    Schließlich kamen sie ans Ende der Welt.
    Nun, zumindest ging es hier nicht mehr weiter. Noch bevor sie den Südpol erreichten, stießen sie auf eine gewaltige Eiswand, die vor ihnen aufragte, so weit das Auge blicken konnte. Mit einer Höhe von gut dreißig Metern musste es sich um einen abgebrochenen Gletscher handeln. Die Grenze zur Antarktis.
    Sie mussten einen Umweg in Kauf nehmen, wollten sie festes, eisfreies Land betreten. Matt steuerte die Transportqualle links an der Eiswand entlang. So dicht am Pol lösten sich die Himmelsrichtungen auf, zeigte der bionetische Kompass keine verlässlichen Werte mehr an.
    Ganz allmählich ließen auch die Stürme nach. Ihr Gefährt glitt nun durch ruhigeres Gewässer, das zunehmend von bunter Artenvielfalt geprägt wurde.
    »Die ersten Vögel«, sagte Matt und deutete in den von schlierigen Wolken durchzogenen Himmel. »Das Festland kann nicht mehr weit sein.«
    »Ich habe dich selten so aufgeregt gesehen«, wunderte sich Aruula. »Du wusstest doch, dass wir auf Land stoßen würden.«
    »Diesmal ist es anders. Ganz anders. Dort wartet ein Kontinent darauf, entdeckt zu werden.«
    »Wir werden nicht die Ersten sein«, mutmaßte Aruula.
    »Wahrscheinlich nicht. So unwirtlich die Antarktis zu meiner Zeit auch gewesen ist – es gab Dutzende Forschungsstationen hier. Ich habe schon in meiner Zeit Gerüchte von gut ausgebauten Bunkern gehört. Und der weltweite Wettkampf um Rohstoffe hat während der letzten Jahre vor Kristofluu immer mehr Regierungen bewogen, Truppen und Forschungstrupps im ewigen Eis abzusetzen.«
    Es war Matt unbehaglich zumute, während er in seinen Erinnerungen wühlte. Viele Dinge waren falsch gelaufen damals. Krieg, Mord und Totschlag hatten die Schlagzeilen beherrscht, und alles hatte auf eine überregionale Krise zugesteuert.
    Er lächelte traurig. Aruulas Logik hatte etwas für sich. Die Götter hätten allen Grund gehabt, den Menschen eine Lehre zu erteilen.
    Der Wind drehte. Hatte er bislang beständig kühl geweht, so brachte er nun wärmere Luft aus Richtung des ehemaligen Südpols mit sich. Dort musste auch der Flächenräumer liegen. Schließlich war er nicht erst nach dem Einschlag des Kometen, der die Erdachse verschoben hatte, erbaut worden.
    »Treibholz«, sagte Aruula und deutete ins ruhiger gewordene Wasser. »Und Algenteppiche. Es kann nicht mehr weit sein bis zum Ziel.«
    Matt atmete tief durch. Sie betraten einmal mehr terra incognita. Und möglicherweise war dieser Kontinent sogar fremder als der Mars.
    ***
    Während der letzten Wochen hatten sie mehr als dreitausendfünfhundert Kilometer durchs tiefste Dunkel des Indischen Ozeans hinter sich gebracht und waren dann am vereisten Wilkesland vorbei in Richtung Rossmeer vorgedrungen. Trotz der vielen neuen Dinge, die sie gesehen und erfahren hatten, erschien Matt die Reise im Nachhinein als… ereignislos. Doch dieser Eindruck würde sich, so befürchtete er, sehr rasch ändern.
    Knapp fünfzig Meter unterhalb der Meeresoberfläche lag die Sockelkante des antarktischen Schelfs. Hier versammelten sich stark fluoreszierende Fische in einem Gewirr von Schwämmen und Algenschleiern. Die Transportqualle beleuchtete ein Durcheinander von Fischen und schildkrötenähnlichen Kriechtieren.
    »Das ist wunderschön!«, sagte Aruula. Sie starrte durch die transparente Hülle der Transportqualle. Schon war das Sonnenlicht zu erahnen. Vereinzelte Strahlen tasteten über zunehmend sandigen Boden hinweg, aus dem baumartige Strukturen nach oben wuchsen, sich dem Licht entgegenstreckten. Ihre Dichte nahm zu, je seichter das Wasser wurde.
    »Diese… Wasserbäume können unmöglich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher