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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent
Autoren: Michael M. Thurner
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festklammerte.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«
    »Ja, das ist es«, antwortete Matt. Er drehte sich vorsichtig um die eigene Achse. Hinter ihm lag der endlose Ozean. Im Vordergrund trieb die Transportqualle vor dem bunten »Blätterdach« des lebenden Wasserwaldes. Links und rechts erstreckte sich die Riffmauer, so weit das Auge reichte. Sie wirkte wie der Rand eines gewaltigen Kraters und erinnerte ihn an jenen Wall, den der angebliche Komet »Christopher-Floyd« durch seinen Impakt im zentralsibirischen Raum aufgeworfen hatte.
    Vielleicht war dieser Eindruck nicht einmal falsch. Das Wilkesland, Bestandteil des antarktischen Kontinents und heute noch unter Eis, war vor mehr als zweihundertfünfzig Millionen Jahren von einem Meteoriten geformt worden. Der Brocken aus dem All stellte mit seiner Größe – mehr als fünfzig Kilometer im Durchmesser – alle anderen jemals auf der Erde gefundenen in den Schatten. Durch seinen Aufprall hatte er das Ende des Perm-Zeitalters eingeläutet. Mehr als fünfundneunzig Prozent allen Meeresgetiers hatten die Auswirkungen dieser Katastrophe nicht überstanden; an Land hatte lediglich ein Drittel aller Tierarten überlebt. Der Wilkesland-Meteorit hatte damit den Weg für die Dinosaurier bereitet, die durch Trias, Jura und Kreide das Leben auf der Erde beherrscht hatten – um dann selbst klimatischen Umwälzungen zum Opfer zu fallen.
    »Diese Richtung?« Aruula hielt eine Hand schützend vor die niedrig stehende Sonne und deutete in Richtung Pol.
    »Ja«, antwortete Matt. Seine Begleiterin hatte sich wieder einmal auf das Wesentliche konzentriert und nicht über das Warum und Wieso ihrer Umgebung nachgedacht.
    Jenseits des Riffringes zeigten sich unzählige Inseln in einem Gewässer, das so klar war, dass man die Bodenstrukturen problemlos erkennen konnte.
    Die nächstgelegenen Inseln waren keine fünf Kilometer entfernt, und sie zeigten vielfach Spuren menschlicher Besiedelung. Ausgedehnte Felder zogen sich an Hügelrücken entlang, und aus den Kaminen mehrerer Häuser kräuselten sich dünne Rauchfahnen in den Himmel. Die Antarktis war also tatsächlich bewohnt!
    Mit der Transportqualle würden sie keine Passage durch den Wald der Wasserbäume finden. Also mussten sie zu Fuß weiter. Aber nicht heute. Nach Einbruch der Dunkelheit war es zu gefährlich auf diesem unbekannten, schroffen Terrain.
    2.
    Einige Jahrzehnte zuvor
    »Pack bitte mal mit an!«, rief Pierre zu ihr herab. »Du sitzt den ganzen Tag auf der faulen Haut, während wir uns die Hände wund arbeiten!«
    »Ich bin ja schon da, mein Foufou.« Nanette seufzte, zog sich den Familienoverall über den Kopf und folgte ihrem Mann über die Wendeltreppe hoch ins Freie. Christian und Leclerc bedienten die Handpumpen. Sie warf ihnen Kusshändchen zu und schenkte ihnen ein Lächeln: Die beiden kräftigen Burschen arbeiteten nahezu ununterbrochen. Sie sorgten dafür, dass nicht allzu viel Schmelzwasser in ihre Wohnhöhlen nach unten drang und in den nach wie vor viel zu kalten Nächten vereiste.
    »Was gibt es denn, Foufou?«, fragte Nanette ihren Mann und schmiegte sich an ihn. »Ich wollte gerade das Essen zubereiten.«
    »Du hast immer irgendwelche Ausreden parat, nicht wahr?« Pierre schob sie beiseite. »Hilf uns lieber, damit wir so rasch wie möglich fertig werden. Das Eis schmilzt uns unter den Ärschen weg. Überall bilden sich Risse und Spalten. Wir können kaum noch einen Schritt tun, ohne unser Leben zu riskieren.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte Nanette. »Ihr werdet es schon schaffen. Ihr seid alle starke, tüchtige Männer mit schlauen Ideen.«
    »Wir werden es schaffen«, berichtigte sie Pierre. »Wenn alle zusammenhalten. Wenn jedermann mit anpackt.« Er kam näher, ein wenig besänftigt, und tätschelte sachte ihren Po. »Sieh dich doch um: Maria, Sophie, Lucia, Corinne und die anderen Mädels packen auch mit an! Sie tragen die Kisten aus den Lagern, sichten die Bestände und beteiligen sich an der Planung, wie es denn weitergehen soll. Sei so lieb und hilf ihnen. Ein einziges Mal! Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich ihnen für Ausreden auftischen soll!«
    »Ausreden, mon chèr? Denk an meinen Rücken… du weißt doch, dass ich nicht schwer heben darf. Und ich bin auch leider nicht besonders schlau.«
    »Kein Wunder! Weil du den ganzen Tag auf der faulen Haut liegst und immer nur zusiehst, wie wir uns abrackern. Die alten Filme sind alles, wofür du dich interessierst.«
    »Ich habe auch noch
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