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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall
Autoren: Residenz
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Stunden aus den Augen. Aber er wird wohl Korporal Landler mit einem Karabiner als Wache bei den verlassenen Baracken der Rhein-Main-Donau AG zurückgelassen haben, damit Fricke und seine Gefolgschaft nicht auf dumme Gedanken kommen. Ein paar Holzbaracken wären ja schnell abgefackelt. Dann werden er und Korporal Soukup wieder zur Straße Krems–Grein hinaufgeradelt, aber wahrscheinlich nicht nach rechts Richtung Persenbeug abgebogen, sondern in nördlicher Richtung die steile, schmale Schotterstraße Richtung Hofamt Priel weitergefahren sein. Hofamt Priel ist nicht mehr als ein paar Rotten von zumeist strohgedeckten Bauernhöfen, die wie hingewürfelt auf einem breiten Wiesenhang liegen, der mehr oder weniger sanft bis zu den bewaldeten Höhen der böhmischen Masse ansteigt, zu den waldbedeckten Kuppen des Eichberges und des Doberges, die beide keine 500 Meter hoch sind. Priel nennen die Leute die Gegend hier, und das heißt wohl einfach Berg, denkt Winkler, der aber von jeglicher genauerer Ortskenntnis unbeleckt ist. Dahinter liegen noch weitere Rotten von Gehöften, von kleinen Schmieden und unansehnlichen Bauerngasthöfen, von winzigen elenden Ansiedlungen, die Namen wie Hinterholz, Rehberg, Harland, Fürholz, Reith-Kalz, Knogl und so weiter tragen und ebenfalls zur Gemeinde Hofamt Priel gehören, aber auch aufgelassene Schottergruben, Teiche und eingestürzte Stollen eines alten Graphit-Abbaus. Soukop weiß, in welchem Hof der Ortsvorsteher Konrad Grabner zu finden ist, und der Revierinspektor, der erst vor wenigen Monaten auf diesen Posten versetzt worden ist, ist ihm dankbar für diese Ortskenntnis, die einem Gendarmen gut ansteht.
    Der Oberbürgermeister von Hofamt Priel, der wohl selbst für den Volkssturm zu alt ist, macht keine Umstände, Juden hin oder her. Was da unten an der Donau in diesen 3 windschiefen Baracken passiert, denkt er, ist mir sowieso wurscht. Aber Lebensmittelmarken könne er natürlich keine ausgeben, meint er, auch seine Leute müssten sich die in Persenbeug holen. Und was Stroh betrifft, so müssten die Herren Gendarmen halt mit den Bauern reden, für ein gutes Gendarmerie-Fernglas zum Beispiel gibt man schon mal eine Fuhre Stroh ab oder auch 2.
    »Das lassen Sie nur unsere Sorge sein«, antwortet ihm der Revierinspektor zufrieden. Auf ein bäuerliches Gabelfrühstück werden die beiden Gendarmen aber nicht eingeladen, so sehr freut sich der Ortsvorstand auch wieder nicht auf seine neuen Gemeindebürger.
    Als es den Priel wieder hinuntergeht, treibt der Revierinspektor zur Eile an, Korporal Soukop gehorcht widerwillig. Zweimal wandelt es das Steyr-Waffenrad des groß gewachsenen Gendarmen auf der vom Schmelzwasser ausgewaschenen Schotterstraße recht ordentlich. Als es ihn auf der stellenweise stark abschüssigen Straße zum zweiten Mal schleudert, blickt der Korporal zur rechten Hand plötzlich in einen tiefen Graben. Nur da nicht hinunterrutschen, denkt er und betätigt reflexartig mit voller Kraft den Rücktritt. Sein Fahrrad bricht heftig nach links aus, stellt sich beinahe quer und driftet wieder in die Straßenwanne zurück.
    »Holla«, meint der Revierinspektor nur, der 2, 3 Radlängen hinter ihm den Weg hinunterzischt.
    Wieder im Ort, in den engen Gassen Persenbeugs, wird er wohl den Kommandanten des Volkssturms, Viktor Urban, aufgesucht und ihn um die sofortige Bewachung des künftigen Lagers ersucht haben. Die Szene hat sich volkstümlicherweise vielleicht sogar im Dorfwirtshaus
Zum Goldenen Ochsen
zugetragen, wo Revierinspektor Winkler den Kommandanten, der zugleich Ortsgruppenleiter ist, im Extrazimmer mit einem eher lahmen Heil Hitler begrüßt, um ihn dann ohne große Umschweife mit dem Befehl des Gendarmeriekreises Melk zu konfrontieren. Dem Urban wird sogleich der Wein, den er vor sich stehen hat, sauer, er schimpft und flucht innerlich und windet sich.
    »Sie wissen aber schon, dass der Volkssturm nur der Partei untersteht, einzig und allein der Partei und sonst niemandem! Schon gar nicht irgendeiner Gendarmerie-Dienststelle und damit dem Landratsamt!«, erklärt Urban dezidiert und hat die Angelegenheit damit seines Erachtens abgeschlossen.
    »Aber wir haben Krieg und da darf sich keiner ausschließen!«, insistiert der Revierinspektor, und dem Ortsgruppenleiter bleibt schließlich und endlich nichts anderes übrig, als dieser Propaganda-Phrase zuzustimmen und einen kleinen Teil seiner Truppe aus Kriegsversehrten, alten Männern an der Schwelle zum Greisenalter und
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