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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall
Autoren: Residenz
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sich die Sekkatur, diesmal allerdings durch die Gestapo und unter wesentlich mehr Gebrüll und Geschimpfe. Der jüdische Vorarbeiter Pál Feldmesser wird abgesetzt und durch einen anderen ersetzt. Außerdem werden alle Kranken von den Gestapo-Beamten zwangsweise gesundgeschrieben, auch György:
Mein Hals tut weh, ich bin schwindlig, ich friere sogar unter zwei Decken, es ist so kalt hier drinnen. Es hat noch nicht geschneit, aber am Himmel ziehen schwere Schneewolken auf
. Einen Tag vor Weihnachten schreibt er in sein Schulheft:
Die Kälte ist gekommen. Es friert schon so stark, dass es sogar tagsüber nicht null Grad hat. Die Zuckerrüben kann man nicht mehr ernten, da sie eingefroren sind. So ist das auch schon erledigt. […] Das Weihnachtsgeschenk war die Nachricht, dass wir nach Wien in ein Lager kommen und auch dort arbeiten werden
. Am 27. Dezember 1944 werden die jüdischen Arbeitssklaven vom Antonshof in ein Lager in der Kuenburggasse 1 im 21. Wiener Gemeindebezirk verlegt:
Der Saal, den wir bekommen haben, ist klein und kalt, aber dagegen gibt es noch eine Hilfe. […] Nur gibt es nicht genügend zu essen. Und das ist sehr schlimm
. Einen Tag später beschreibt der Bub das Ungenügende, das Wenige, allzu Wenige detailliert in seinem Tagebuch:
Das Essen: Jeden Tag in der Früh zwei Deziliter schwarzen Kaffee. Mittagessen: Kartoffelgemüse. Abendessen: Marmelade oder Butter. Die ganztägige Brotration ist für Erwachsene 25 Dekagramm, für Kinder 12 Dekagramm pro Person
. Trotzdem ist Schwerstarbeit gefordert:
Wegen Mangels an Schuhen gehen wir abwechselnd zur Arbeit. Ich schlage mit meiner Großmutter zusammen Ziegel ab. Das Mittagessen ist ausgezeichnet, aber sehr wenig
, notiert György am 20. Jänner 1945. Genau 2 Monate später berichtet der Junge in seinen Aufzeichnungen von einer weiteren dramatischen Verschlechterung der Lage:
Während eines Fliegeralarmes schreibe ich mein Tagebuch im Tunnel von Döbling und denke über unser trauriges Schicksal nach. Vor 5 Tagen traf eine Bombe unser Lager und alles verbrannte. Ohne Decke, ohne ein Kleid und ohne Wäsche zum Wechseln stehen wir da
. Die überlebenden Zwangsarbeiter werden auf die Lager Leopold-Ferstl-Gasse und Mengergasse, beide im 21. Bezirk, aufgeteilt. Unter dem 6. April 1945 ist im Tagebuch zu lesen:
Die Russen beschießen Wien. Innerhalb von Sekunden wurde das Lager geräumt, und jetzt gehen wir alle mit kleinen Binkeln auf dem Rücken gegen Stockerau
. Die nächste Eintragung vom 10. April ist noch kürzer, gehetzter:
Wir gehen seit vier Tagen zu Fuß in Richtung Tulln. Wir wissen nicht wie weit
. Die Tagebucheintragung vom 20. April 1945 fasst die Qualen des Todesmarsches mit dem Ziel KZ Mauthausen in wenigen, kurzen Sätzen zusammen:
Drei Wochen sind seit unserer Vertreibung vergangen. Unser Ziel ist Linz. Ohne Essen, frierend, hungernd – wer weiß wie lange
. Am 30. April schreibt György Stroch noch 2 Zeilen, dann brechen seine Aufzeichnungen für immer ab:
Wir sind stehen geblieben zwischen Krems und Linz in Persenbeug. Hier wurde ein Lager errichtet. Nur Essen wäre genug
. Wenig mehr als 2 Tage später wird man ihn mit Benzin überschütten und anzünden.
    Unter dem Datum 26. Juni 1944 notiert der sechzigjährige Handelsvertreter József Bihari aus der ungarischen Stadt Szolnok in einen Taschenkalender:
Wir sind zu Fuß mit unserem Gepäck in fürchterlicher Hitze 15 Kilometer weit nach Debrecen marschiert, wo alle entkleidet wurden, das heißt, es wurde uns alles weggenommen. Noch am selben Abend wurden wir einwaggoniert. Es war furchtbar. 88 in einem 15-Tonnen-Waggon, nur mit Handgepäck. Unendlich viel haben wir an Hitze und Wassermangel gelitten. Ich habe von einer Fischkonserve eine Vergiftung bekommen. Auf dem Weg haben wir gehört, dass Szolnok schon weggekommen ist. Wir sind in der größten Verzweiflung, ob wir uns jemals treffen werden. Es war furchtbar, es war furchtbar. Endlich (29. Juni) heute Mittag um ein Uhr sind wir angekommen. Man hat uns in Strasshof bei Wien auswaggoniert. Die Hälfte von Szolnok war hier, die andere Hälfte ist noch nicht angekommen. Meine Rózsi ist nicht da
. József Bihari hatte sich gerade auf einer Reise befunden, als er in die Mühlen von Eichmanns Vernichtungsmaschinerie geraten ist. Die Trennung von seiner Frau Rózsi, die offenbar von beider Wohnort Szolnok deportiert worden ist, wird ihm noch schwer zu schaffen machen. Auch die neuen Lebensumstände in der Sklaverei sind für einen
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