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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall
Autoren: Residenz
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in Persenbeug. Als ich nämlich eine Kommission zur Besichtigung der ermordeten Juden zusammenstellen wollte, habe ich getrachtet, fünf Mitglieder der NSDAP sowie fünf unpolitische Leute zu dieser Kommission zu bringen. Als ich mich nun bemühte, die Leute für diese Kommission ausfindig zu machen, habe ich zufällig auch mit diesem Frick gesprochen, der zu mir sagte etwa in dem Sinn, ich solle froh sein, dass die Juden weg seien, und hat sich über die Juden sehr abfällig geäußert. Knapp vor Herannahen der Roten Armee wollte ich diesen Frick noch verhaften, vergeblich, weil er an dem fraglichen 7. 5. 1945 in der Nähe der Rollfähre über die Donau unter dem Schutze von Angehörigen des SD. in Zivil stand und ich durch diese am Einschreiten gehindert war. Seither ist jede Spur des Frick verloren gegangen. Noch eine Flüchtlingsfrau aus einem der Oststaaten habe ich noch bei einem Repatriierungstransport gesprochen und hat mir diese erzählt, dass der vorgenannte Frick bei diesen Erschiessungen nicht unbeteiligt gewesen sei. Ich konnte diese Frau jedoch nicht näher vernehmen, weil sie durch Angehörige der Besatzungsmacht inzwischen mit der Rollfähre wegtransportiert worden war
, heißt es im Protokoll der Vernehmung des Zeugen Franz Winkler.
    Am 26. Mai 1948 meldet der Gendarmerieposten Persenbeug schriftlich an das Bezirksgericht Persenbeug, dass sich im Posten
seit den Umbruchstagen im Jahr 1945 1 Paket ungarischer Dokumente, 70 ungarische Reisepässe, 3 Lederbrieftaschen, 10 Stück Ledergeldbörsen, 1 Taschenspiegel, 4 Stück Brillenetuis, 454 Fotografien und 33 Zloty Papiergeld in Verwahrung
befinden. Das ist alles, was von den 223 massakrierten Männern, Frauen und Kindern von Hofamt Priel übrig geblieben ist.
    Am 2. Oktober 1948 werden die gerichtlichen Ermittlungen gegen die unbekannten Täter von Hofamt Priel eingestellt.
    1963 erstattet der inzwischen pensionierte Gendarmerie-Revierinspektor Franz Winkler Anzeige gegen Adolf Eichmann und Mitglieder seines Stabes wegen der Judenmorde von Hofamt Priel. Das gerichtliche Verfahren gegen die nach wie vor flüchtigen, unbekannten Täter wird wieder aufgenommen.
    Noch im selben Jahr wird das Gerichtsverfahren wieder eingestellt. Es wurde bis heute nicht wieder aufgenommen. Die Täter, sofern nicht schon tot, sind weiter flüchtig.
    1964 müssen die Opfer von Hofamt Priel exhumiert werden, da der Grundbesitzer eine Räumung des Massengrabes verlangt. Aus dem Acker ist längst Bauland geworden. Das österreichische Kriegsgräbergesetz würde den Toten zwar Ruhe garantieren, wird aber von allen beteiligten Behörden und Verwaltungsstellen weitgehend ignoriert. Am Israelitischen Friedhof in St. Pölten finden die Überreste der 223 Ermordeten eine neue Ruhestätte. Die erheblichen Kosten für die Exhumierung und Wiederbestattung hat die Israelitische Kultusgemeinde in Wien zu tragen. Zu diesem erneuten Begräbnis reist Tibor Yaakow Schwartz aus Israel nach St. Pölten an und besucht danach auch die Familie seiner Lebensretter in Brand bei Persenbeug.
    Am 11. August 1967 stirbt Revierinspektor Franz Winkler. Bis zuletzt zeigte er Interesse an der Aufklärung seines größten Falles.
    Gemäß den internen Skartierungsvorschriften des Landespolizeikommandos Niederösterreich werden Personalakte 40 Jahre nach dem Tod eines Beamten vernichtet. Im Falle Franz Winklers dürfte dies 2007 veranlasst worden sein. Jedenfalls fanden sich Ende 2009 in der Neuen Herrengasse in St. Pölten, im Archiv des Landespolizeikommandos, keinerlei Aufzeichnungen mehr über ihn.

B ENÜTZTE L ITERATUR UND Q UELLEN
    Akten 2.3.14/A 1, Vg 3c Vr 1780/48 und Vg 8e Vr 142/52 des Volksgerichts Wien im Wiener Stadt- und Landesarchiv
    Akte Feldsberg im Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien
    Eleonore Lappin: Das Massaker von Hofamt Priel. In: Eleonore Lappin, Susanne Uslu-Pauer, Manfred Wieninger: Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Niederösterreich 1944/45. St. Pölten: NÖ. Institut für Landeskunde 2006 [= Band 45 der Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde, herausgegeben von Willibald Rosner und Reinelde Motz-Linhart], S. 103–132
    Eleonore Lappin: Die Opfer von Hofamt Priel. In: Eleonore Lappin, Susanne Uslu-Pauer, Manfred Wieninger: Ungarischjüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Niederösterreich 1944/45. St. Pölten: NÖ. Institut für Landeskunde 2006 [= Band 45 der Studien und Forschungen aus
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