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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall
Autoren: Residenz
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und der Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal quält die Deportierten bald Durst und Hunger, auf der tagelangen Fahrt gibt es für sie weder Verpflegung noch Trinkwasser. Als der Transport schließlich im niederösterreichischen Straßhof, dem zentralen Verschiebebahnhof und Durchgangslager für Zwangsarbeiter in der Ostmark, ankommt, liegen in jedem der 20 Waggons bereits Tote – Menschen, welche die Strapazen und Schrecknisse der Fahrt nicht überstanden haben. Nach einigen Tagen in Straßhof wird Tibor Yaakow Schwartz, der von seiner Familie Yaakow gerufen wird – sein erster Vorname ist wohl nur dem Magyarisierungsdruck im scharf antisemitischen Ungarn zuzuschreiben –, gemeinsam mit seinen Angehörigen neuerlich in Waggons gepfercht. Er hat von den NS-Beamten eine Karte erhalten, auf der das Fahrtziel genannt wird: Floridsdorf. Die Familie wird dort in einer Schule untergebracht. Zu essen gibt es für jeden nur 2 Schnitten Brot pro Tag. Yaakow Schwartz’ Angehörige werden bald zu Schwer- und Schwerstarbeit im Floridsdorfer Shell-Werk, einem petrochemischen Betrieb, eingesetzt. Der 10-Jährige dagegen muss unter der Oberaufsicht eines erwachsenen Ukrainers in einer Horde von bis zu 40 Sklavenkindern im 1. Wiener Gemeindebezirk Aufräumungsarbeiten nach Luftangriffen leisten. Er wird vor allem auf hohe und höchste Dächer getrieben, um beschädigte Dachziegel zu entfernen und durch neue zu ersetzen. Natürlich gibt es für ihn im Gegensatz zu den einheimischen Dachdeckern keinerlei Ausrüstung zur Eigensicherung bei Abstürzen. Oft werden er und die übrigen Kinder auch zum Räumen von Schutt und Trümmern eingesetzt. Diese lebensgefährliche Schwerarbeit ermöglicht es Yaakow Schwartz immerhin, Passanten anzubetteln und um Lebensmittel oder Brotmarken zu bitten. Eine seiner Schwestern hat ihm den Judenstern auf seinem Overall aus grobem Zeltstoff so angenäht, dass er ihn wegklappen kann und damit als Jude nicht mehr sofort erkennbar ist. Ein bettelndes, jüdisches Kind hat 1944, das weiß er nur zu bald, auch oder gerade in der noblen Inneren Stadt nur selten mit einer milden Gabe zu rechnen, höchstens mit ein paar Fußtritten und Ohrfeigen und einer Anzeige, einer Denunziation. Während er die Passanten anspricht, hält er angestrengt nach patrouillierender Polizei, Gestapo und nach urlaubenden Waffen-SSlern Ausschau, die Hand immer am Overall, um den gelben Stern blitzschnell wieder herausklappen zu können. Seiner Mutter und seinen Schwestern gelingt es, bei Shell kleine Mengen an Diesel abzuzweigen und auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittelkarten zu tauschen. Natürlich steht für jüdische Sklaven auf all diese illegalen Aktivitäten die Verbringung in ein KZ, aber die Schwartz haben keine andere Wahl mehr. Immerhin haben sie es besser als in den Deportationszügen. Auch wenn die Floridsdorfer Schule, in der Yaakow Schwartz und seine Familie mit vielen anderen Arbeitssklaven untergebracht sind, eines Tages bombardiert wird und völlig ausbrennt. Die Schwartz werden in eine andere Zwangsarbeiter-Unterkunft, ebenfalls eine Schule, in der Leopold-Ferstl-Gasse im gleichen Bezirk eingewiesen. Im Jänner 1945 wird Yaakows älterer Bruder Shlomo Alexander jäh aus dem Familienverband herausgerissen und nach St. Anna am Aigen deportiert, wo er zu schwersten Schanzarbeiten für einen militärisch völlig sinnlosen Stellungsbau eingesetzt wird. Seiner Mutter Ilona Schwartz gelingt es am 9. März 1945, eine Postkarte an ihren älteren Sohn abzusenden, die auch tatsächlich in St. Anna ankommt. Danach zerstören Bombentreffer auch das Quartier in der Leopold-Ferstl-Gasse. Yaakow Schwartz, seine Mutter und seine beiden Schwestern erhalten Unterkunft in der Mengergasse 33 im 21. Bezirk. Als sich die Rote Armee Wien nähert, wird das Lager von der Waffen-SS am 7. April 1945 völlig überhastet geräumt, die Insassen werden bewacht von Wehrmachtsangehörigen und Volkssturmmännern wie Vieh zu Fuß Richtung Westen getrieben. Dabei sind von den rund 300 ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern der Marschkolonne, der die Familie Schwartz zugeteilt wird, Tagesetappen von 25 bis 40 Kilometer zu leisten, ohne dass die Menschen mit Verpflegung und mit ausreichend Trinkwasser versorgt würden. Marschiert wird bei jedem Wind und Wetter. Die Angehörigen des Volkssturms werden von Etappe zu Etappe ausgewechselt. Yaakow Schwartz, seine Mutter, seine Schwestern und die Übrigen versuchen auf dem Weg bei Bauern Lebensmittel zu
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