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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall
Autoren: Residenz
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tun haben will, auch wenn zwischen den beiden Männern kein Wort darüber gefallen ist. Immerhin hat ihm Duchkowitsch den Befehl vom Gendarmeriekreis Melk zur Kenntnis gebracht und ihn dezidiert spüren lassen, dass er freie Hand hat, völlig freie Hand. Winkler wird ihm das mit Loyalität bis über den Tod hinaus danken. Der nicht mehr so junge, aber noch immer ein wenig ehrgeizige Stellvertreter hat auch schnell begriffen, dass es für ihn und die Persenbeuger jetzt vor allem darum geht, ein paar Gutpunkte zu sammeln. Das Reich reicht hier im westlichen Teil von Niederdonau nur mehr bis zu den Gewehrläufen seiner demoralisierten und dezimierten Soldaten, die in und um Persenbeug, in Hofamt Priel, in Gottsdorf und so weiter in Privatquartieren liegen und denen vor nichts mehr graut, als jetzt noch an die Hauptkampflinie geworfen zu werden und dort vielleicht an einem der letzten Kriegstage zu verrecken oder, noch schlimmer, in sowjetische Kriegsgefangenschaft zu geraten und nach Sibirien verschleppt zu werden. Vom Osten drängen die Russen heran, von Westen die Amerikaner, und es gibt in Wahrheit nichts und niemanden mehr, der sie aufhalten kann. Die irrwitzigen Träume einzelner Bonzen und Honoratioren vom Endsieg teilt Winkler nicht, er ist ein sachlicher, nüchterner Mensch. Aber es gibt, und das ist ihm selbst nicht einmal so richtig bewusst, auch eine andere Seite an diesem altgedienten Beamten auf seinem abgelegenen Posten, eine herausfordernde, provozierende …
    »Soukop! Landler! Wir fahren aus!«, hallt es durch den Gendarmerieposten, kaum, dass im Gemeindeamt am Rathausplatz der Oberbürgermeister den Hörer auf die Gabel geknallt hat. Die beiden Gerufenen, 2 Korporäle mittleren Alters, die gerade nicht vom Postenkommandanten für die Judensuche in Gottsdorf oder weiß Gott wo eingeteilt sind, sondern an einem Schreibtisch behutsam je ein Gabelfrühstücksei abpellen, wundern sich ein wenig, denn der stellvertretende Postenkommandant ist normalerweise auch bei Befehlsausgaben nicht laut. Jedenfalls stört Revierinspektor Winkler sie gehörig auf und heißt sie, die beiden Dienstfahrräder im Vorhaus sofort auf Fahrtüchtigkeit zu überprüfen.
    »Gemma, gemma, meine Herren! Wir fahren aus!«
    Während der lange Soukop bereits den Luftdruck der Fahrradreifen überprüft und Korporal Landler eine Kette nachölt, tritt Revierinspektor Winkler schnell an den Waffenschrank und nimmt 2 Karabiner heraus. »Und ein Bajonett könnte auch nicht schaden«, murmelt er in Gedanken.
    Revierinspektor Franz Winkler ist dabei, ein paar Gutpunkte zu sammeln. Und ein paar Schlechtpunkte zu vergeben. Er hat auch schon eine bestimmte Vorstellung, wen es treffen wird.
    Das kann ja heiter werden, denkt der lange Soukop, als Revierinspektor Winkler seinen beiden Untergebenen vor dem Posten das Fahrziel nennt. Seine Stimmung bessert sich auch nicht, als er sieht, wie sein Vorgesetzter ein Bajonett auf den Lauf des Karabiners aufpflanzt, bevor er sich die Langwaffe über die rechte Schulter hängt. Fehlt nur noch, denkt Korporal Soukop, dass wir uns jeder eine Stielhandgranate in den Gürtel stecken, damit wir noch martialischer aussehen. Na, die werden eine Freude mit uns haben! Die, das sind die Volksdeutschen im SS-Umsiedlerlager westlich von Schloss Persenbeug. Im Ort selbst, der östlich des mächtigen Schlosses lang gestreckt am Donaustrand liegt, werden sie nur mehr als Beutegermanen apostrophiert, und das ist längst nicht mehr nur scherzhaft gemeint, es klingt schon fast abfällig, und gelegentlich hört man auch einen weniger freundlichen Ausdruck wie etwa: »San a nur so Tschuschen, nur halt piefkinesische …« Trotzdem nimmt man das Bettzeug, das Besteck, das Werkzeug, die Taschenuhren und so weiter, welche die Volksdeutschen als Tauschgut für hochwertige Lebensmittel wie etwa Fleisch und Wurst auf ihren Hamstergängen zu den Bauernhöfen und in die Persenbeuger Bürgerhäuser anbieten, obwohl sie von der Gemeinde die gleichen Lebensmittelmarken mit Normalverpflegung bekommen wie die Einheimischen. Die Heimstatt der volksdeutschen Umsiedler liegt gleich neben dem Schloss Persenbeug am Donaustrand. Der Strom macht hier einen malerischen Bogen um die kühnen, hohen Mauern des Schlosses, um diese uralte, finstere Trutzburg, diese Feste auf einem riesigen Felsen direkt über der Donau, die nachträglich im Stile der Renaissance umgebaut wurde, vielleicht um der alten Ritterburg das Kantig-Wilde abzuschleifen und es
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