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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda
Autoren: Ronald M. Hahn
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gekommen, weil ihr Vater sich schreckliche Sorgen um sie macht.« Er bemühte sich, die Besorgnis ihres Vaters mit Hilfe seiner Stimme auszudrücken: Die Vorstellung, dass man ihn abwimmelte, weil er den Fehler begangen hatte, sich nicht als ihr Vetter aus Dingsda auszugeben, grauste ihn.
    »Die Clinique Badr«, raunte die Rezeptionistin, »ist für ihre Diskretion bekannt.« Sie schaute sich schnell um, als wolle sie sich überzeugen, dass niemand sie beobachtete. »Deswegen darf ich Ihnen leider keine Auskunft erteilen, Sidi.« Sie biss sich auf die Unterlippe. Ostwald sah, dass sie mit sich rang. Offenbar hatte sein Arabisch der Dame den Kopf verdreht, denn plötzlich sagte sie: »Die Patientin ist vor zwei Stunden verstorben. Sie wurde kurz vor Ihrem Eintreffen von einem Bestattungsunternehmen abgeholt.«
    »Was?!« Ostwald war wie vor den Kopf geschlagen. Er starrte die Frau fassungslos an. Hinter ihm sagte jemand auf Arabisch: »Darf ich jetzt auch mal ‘ne Frage stellen, Großvater?« Jemand, der nach Leder, Schweiß und schlechten Manieren roch, drängte Ostwald beiseite. Er bedankte sich fahrig und ging kopfschüttelnd in die Sonne hinaus, wo Heinz-Mourad mit einer Gitanes im Mund vor seinem Wagen stand und Ringe in die Luft pustete.
    »War wohl kein Erfolg, was?«, sagte er. »Sie sind ja so blass wie ‘n Eimer Kalk.«
    »Merde…« Ostwald kratzte sich an der Nase. Was sollte er nun tun? Wie verfuhr man eigentlich in einem orientalischen Land mit ausländischen Leichnamen? Was machte man in Köln mit Touristen, die allein unterwegs waren und auf der Domplatte tot umfielen? Vermutlich brachte die Polente sie erst mal in einen kühlen Raum. Dann recherchierte sie, woher der Verstorbene kam und versuchte – mit Hilfe der Polizei seines Heimatlandes – seine Familie ausfindig zu machen.
    In Melanies Fall ging dies vielleicht schneller, da die hiesige Polizei den Mann, mit dem sie nach Casablanca gekommen war, schon in diesem Augenblick durch die Mangel drehte – vorausgesetzt, die Ärzte der Clinique Badr hatten sie informiert, woran Melanie gestorben war – und dass die ermittelnden Polizisten nicht bestechlich waren.
    Quatsch. Kein marokkanischer Polizist nahm einen Hadibi in die Mangel. Wahrscheinlich hatte Jussuf die Stadt längst verlassen. Vielleicht hatte er Melanie allein gelassen, als ihm klar geworden war, dass sie ins Gras beißen würde. Es war dem Ruf seines Vaters sicher nicht zuträglich, wenn man im Hotelzimmer des Juniors die Leiche einer drogensüchtigen Europäerin fand, deren Vater ebenfalls zur Prominenz gehörte.
    »Fahren wir.«
    »Wohin?« Heinz-Mourad trat seine Zigarette auf dem Boden aus.
    »Erst mal geradeaus. Fahren Sie zu einem Lokal, vor dem man im Freien sitzen kann.«
    »Klaro.«
    ***
    Das Lokal war ein Café, das zwei schwule Franzosen betrieben. Heinz-Mourad blieb im Wagen sitzen und beschäftigte sich mit einem Sudoku. Ostwald nahm unter einem Heineken-Sonnenschirm Platz, bestellte ein Bier und dachte nach. Die beiden Franzosen machten ihm schöne Augen und gifteten sich anschließend an, was er ziemlich witzig fand.
    Nach dem zweiten Bier fragte er sich, ob er Dietherr anrufen und ihm das Ergebnis seiner Suche mitteilen sollte.
    Wie sagt man einem Vater, dass sein Kind tot ist, ohne selbst Rotz und Wasser zu heulen? Ostwald bestellte ein weiteres Bier, dann noch eins.
    Sobald Dietherr wusste, was passiert war, war der Auftrag erledigt. Dann konnte er seine Rechnung schreiben. Was wurde aus den Spesen, die er erhalten, aber noch nicht ausgegeben hatte? Musste er sie zurückgeben?
    Ostwald überlegte hin und her und bestellte noch ein Bier. Inzwischen war er angetrunken und mutig genug, um Dietherr jede Katastrophe zu verkünden. Doch in letzter Sekunde hielt er inne. Er konnte noch etwas für sein Geld tun. Er zückte sein Handy und rief sein Hotel an.
    »Hyatt Regency, guten Tag«, flötete ihm eine Frauenstimme auf Arabisch entgegen.
    Ostwald meldete sich mit einem arabischen Allerweltsnamen, nicht fern von Ali Baba. »Ich möchte Monsieur Hadibi sprechen.«
    »Dürfte ich seinen Vornamen wissen?«
    Ostwald nannte ihn.
    »Bedaure, Monsieur, dieser Herr wohnt nicht bei uns.«
    Schau an! Ostwald schwante so einiges: Die Sau hatte ihre Verbindungen spielen lassen. »Ist er ausgezogen?«
    Tastaturgeklapper. »Ich finde gar keine Registrierung, Monsieur. Sind Sie sicher, dass der Vorname… Moment.« Nun das Rascheln von Papier. »Ich habe hier eine Farah Ha…
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