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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda
Autoren: Ronald M. Hahn
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Oh!«
    »Ist was?«, fragte Ostwald.
    »Bedauere«, sagte die Dame am Telefon. »Kann ich Ihnen sonst noch einen Dienst erweisen, Monsieur?«
    Da müsste ich erst wissen, wie du aussiehst, dachte Ostwald. »Nein, danke. Schönen Tag noch.« Er schaltete sein Mobiltelefon aus und brütete vor sich hin. Das Gefühl der Angetrunkenheit löste sich allmählich wieder auf. Das durfte nicht sein, denn er musste Dietherr noch anrufen. Er bestellte noch ein Bier.
    Vielleicht aber auch nicht. Als er es trank, schaute er zu Heinz-Mourad hinüber. In einer Stadt wie Casablanca gab es sicher auch andere Möglichkeiten der Kommunikation… Er zwinkerte einem der Franzosen zu und bezahlte die Zeche. Erst auf dem Weg zum Maybach fiel ihm auf, dass er wirklich angebraten war.
    »Fahren Sie mich zu ‘nem Internet-Café.«
    »Was wollen Sie denn da?« Heinz-Mourad glotzte ihn baff von der Seite an.
    »Pornos kucken«, sagte Ostwald. »Was für ‘ne doofe Frage: Ich will ‘ne Email verschicken!«
    »Warum schicken Sie denn keine SMS?«
    »Weil ich im Gegensatz zu Ihnen ein alter Sack bin und ein halbes Jahr brauche, um zu lernen, wie das geht«, fauchte Ostwald ergrimmt.
    »Aber das ist doch ganz einfach!«
    »Ja, wenn man auf jede Art der Zeichensetzung verzichtet, weil man ohnehin nicht weiß, wozu sie da ist!«
    »Boah, Sie sind aber geladen.«
    »Sie wären nicht besser drauf, wenn Sie einem Vater das erzählen müssten, was ich jetzt einem erzählen muss.«
    Heinz-Mourad verstummte. Ostwald bekam ein schlechtes Gewissen und entschuldigte sich. Der Chauffeur hatte keine Ahnung, warum er dies tat. Kurz darauf hielt er vor einem Internet-Café. Ostwald ging hinein, bestellte einen Kaffee und nahm vor einem Bildschirm Platz. Inzwischen hatten vermutlich auch die Teens in Lambarene Flachbildschirme. Auf seinem Schreibtisch stand noch immer der sieben Jahre alte Hyundai für 79 Euro. Was hatte er in seinem Leben nur falsch gemacht?
    Er holte tief Luft und tippte: Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass M. in der vergangenen Nacht in der Clinique Badr in Casablanca verstorben ist. Über die genaue Todesursache kann ich nur Vermutungen äußern, da man mir als Fremdem keine Auskunft erteilt. Vermutlich war aber Drogenmissbrauch der Grund ihres Ablebens.
    Ihr Begleiter – J.B.H. – hat sich kurz vor ihrer Einlieferung in die Klinik abgesetzt und es verstanden, jeden Hinweis auf seine Anwesenheit aus dem Hotelcomputer entfernen zu lassen.
    Ich empfehle, Kontakt mit dem deutschen Konsulat und der hiesigen Kriminalpolizei aufzunehmen, um alles weitere zu regeln. Ich wohne im Hyatt Regency und erwarte neue Anweisungen. Mein aufrichtiges Beileid. O.O.
    Er schaute sich den Text noch einmal an und hoffte, dass Dietherr verstand, warum er nicht zum Telefon griff. Dann trank er seinen Kaffee aus und schickte die Mail ab.
    Als Ostwald das Café verließ, fiel ein großes Gewicht von seinen Schultern. Ein Griff in die Innentasche seines Jacketts förderte den MP3-Player zu Tage, den er seit Wochen vermisste. Er schob die Stöpsel in seine Ohren, schaltete ein und wies seinen Chauffeur an, zum Hotel zu fahren. Nach dem elenden Scheiß dieses Tages hatte er große Lust, sich die Kante zu geben, um dann besinnungslos ins Bett zu fallen, doch Roger McGuinn, der ihn nun beschallte, klang so deprimierend, dass er sich für einen Absacker entschied.
    »Ich kann im Moment noch nicht sagen, ob ich morgen noch hier bin«, sagte er zu Heinz-Mourad. »Wenn doch, melde ich mich.«
    »Klaro.«
    Ostwald betrat die Lobby des Hyatt. Gut gekleidete, kunstvoll frisierte und wunderbar duftende Damen kreuzten seinen Weg. Viele Menschen, denen er auf dem Weg zu Rick’s Café Americain begegnete, musterten ihn von oben herab, was wohl daran lag, dass die Bügelfalten seiner Beinkleider alles andere als scharf akzentuiert waren. Die kleine Bar war gut besucht. Als Ostwald sich an den Tresen setzen wollte, kam ein Page zu ihm. »Monsieur Ostwald?«
    »Oui?«
    Der Page reichte ihm ein schnurloses Telefon. »Ein Gespräch für Sie.« Schon war er wieder weg.
    Ostwald hob das Ding ans Ohr. »Ja?«
    »Hier ist Dietherr.«
    Ostwalds Herz machte vor Schreck einen Satz.
    »Trotz meiner Trauer«, fuhr Dietherr fort, »bin ich von flammender Wut erfüllt.«
    Ostwald hatte nicht gewusst, dass Dietherr sich auch poetisch ausdrücken konnte.
    »Hören Sie gut zu; ich sag’s nur einmal.« Dietherr räusperte sich. »Seit Ihrer Mail habe ich mehrere Telefongespräche geführt –
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