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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda
Autoren: Ronald M. Hahn
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widersprechen.
    Victorius’ Worte hallten noch in seinen Ohren: »Folgendes: Wenn Daa’tan kein Kretin ist, weiß er inzwischen längst, wo in diesem Land Städte am Himmel schweben. Immerhin ist seit dem Tag, an dem ich ihn in Ägypten zurückließ, ein halbes Jahr vergangen.« Er zog die Nase hoch. »Was ich damit sagen will, mon ami? Dass es absolut sinnlos ist, nach Norden zu reisen, um Aruula zu suchen, da sie, wenn ich sie richtig kenne, nicht von seiner Seite weichen, sondern ihm hierher folgen wird.«
    Rulfan konnte sich der Logik des Arguments nicht widersetzen.
    »Doch wo der junge Mann mit seinem Gefolge die Große Wüste durchqueren wird«, fuhr Victorius fort, »ist reine Spekulation und wird es auch bleiben.«
    »Sind keine Karawanenwege kartografiert?«
    »Es gibt keine.« Der Prinz hob die Schultern. »Alors – nicht umsonst nennt man das Gebiet die Todeswüste. Es ist bislang nur wenigen Expeditionen gelungen, sie zu durchqueren – Handel lässt sich so nicht treiben. Selbst ein Überflug mit Rozieren ist aussichtslos wegen der mörderischen Fallwinde. Aber ich bin überzeugt, dass der Pflanzenmagier und sein gestaltwandlerischer Freund einen Weg finden werden. Daa’tans Gier, die Wolkenstädte zu erobern, kennt keine Barrieren.«
    Rulfan brummte. Was sollte er tun? Er konnte nicht überall an der Tausende von Kilometer langen Reichsgrenze sein. Die Wüste auf eigene Faust zu durchqueren war ein noch größeres Risiko; Victorius hatte es am eigenen Leibe erfahren. Hätte ein am Rande der Wüste lebendes Beduinenvolk ihn nicht gefunden, würden auch seine Knochen längst in der Sonne bleichen.
    »Ich kann dir nur anbieten«, fuhr Victorius fort, »eine Staffel Rozieren am südlichen Wüstenrand patrouillieren zu lassen. Mehr kann ich nicht tun.«
    »Merci beaucoup, Victorius.«
    »C’est d’bon coeur.«
    Lay zog die Nase hoch, und Rulfan kehrte in die Gegenwart zurück. »Worauf warten, du?«
    Rulfan erklärte ihr, dass die nach dem Putsch noch nicht ganz stabilen Verhältnisse jede Reise unsicher machten und dass es schwierig war, die Frau zu finden, die zu suchen er und Maddrax auf diesen Kontinent gekommen war. Außerdem brachte er Lay nahe, dass Maddrax mit dem Herrn der fliegenden Städte zu einer lebenswichtigen Reise aufgebrochen war, seine Rückkehr aber bald erwartet wurde. Dabei wäre »erhofft« sicher der passendere Begriff gewesen, denn niemand wusste, ob Matthew Drax und Pilatre de Rozier überhaupt noch lebten.
    »Ich habe ihm versprochen, ihn hier zu treffen. Doch solange er unterwegs ist, bin ich zur Untätigkeit verdammt.« Er empfand Nervosität; es war ein unangenehmes Gefühl.
    »Dann wir gehen Taraganda, du und ich. Gehen in meine Heimat. Zarr und ich lange fort. Azzarr sich Sorgen macht.«
    Azzarr war Zarrs Vater. Wenn Rulfan es richtig verstanden hatte, war er der Subabak – Kanzler, Häuptling, Präsident – ihres Stammes. »Ich kann hier nicht weg, Lay.« Rulfan schüttelte seine Mähne. »Wer weiß, wohin Maddrax geht, wenn er mit dem Kaiser zurückkehrt.«
    »Vielleicht er kommt nicht zurück.«
    »Er kommt zurück. Du kennst ihn nicht. Maddrax ist ein Offizier und Gentleman. Er lässt keinen Freund im Stich.«
    »Maddrax unsterblich?« Lays schwarze Augen blitzten auf. »Lange Reisen gefährlich. Auch Reisen unterm Himmel.« Sie deutete auf die Wipfel der riesigen Bäume.
    Rulfan glaubte irgendwo zwischen dem Grün Zarrs teerschwarzes Fell zu erspähen. Vielleicht täuschte er sich aber auch. Der Gorilla hatte keinen Grund, sich von ihm fern zu halten. Seit sie sich gegenseitig verdroschen hatten, verstanden sie sich prächtig. »Niemand lebt immer. Was du machen, wenn Maddrax tot?«
    Rulfan schluckte. Er wollte es sich nicht vorstellen.
    »Du, antworte, Rulfan!«
    Rulfan zuckte die Achseln. »Dann muss ich Aruula allein suchen.« Er schluckte. »Das bin ich ihr schuldig.«
    »Du sie lieben?«
    »Nein.« Nicht mehr. Nicht mehr so, wie du es meinst. Rulfan schüttelte den Kopf. »Doch, aber so, wie man eine… Schwester liebt.« Er schaute Lay an. Sie war tatsächlich eifersüchtig. Er spürte es. Er hatte eigentlich Wie man eine Tochter liebt sagen wollen, aber Lay war jünger als Aruula, deswegen erschien ihm der Vergleich missverständlich.
    »Ich nicht weiß, was du fühlen«, sagte Lay leise und mit gesenktem Blick. »Aber mich verletzen.« Ihr Kopf ruckte hoch. Rulfan öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Bevor er dazu kam, fuhr sie fort: »Du wählen. Jetzt.
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