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2192 - Wider den Seelenvampir

Titel: 2192 - Wider den Seelenvampir
Autoren: Unbekannt
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eine unendliche Gnade.
    Kein Inquisitor. Erst recht nicht der Souverän der Vernunft. Bei der Inquisition und ihren Herren - nein!
    Nicht das!
    Aber kein Flehen konnte etwas an dem ändern, was längst geschehen war. Der 6-D-Mathematiker hörte ein Rascheln, hörte Schritte, die wie das Schaben Millionen kleiner Käferbeine klangen, und sah, obwohl er die Augen fest geschlossen hielt, wie ein Schatten über ihn fiel.
    Er wagte kaum mehr, erneut Luft zu holen. Noch immer fühlte sich alles so eisig an, als würde er den Weltraum selbst in seine Lungen zwingen. Warum tötete ihn das unheimliche Wesen nicht, das die Galaxis und einige andere Sterneninseln in seinem Würgegriff hielt? Warum verschonte es ihn noch?
    Nahm es ihn nicht für voll? War sein Appetit gestillt?
    Navra ...
    Es war, als musste er nur unentwegt an seine Gefährtin denken, um zu verhindern, dass der Schatten sie mitnahm. Postal Evvy war sicher, dass er diese Begegnung nicht überleben würde - und fast wünschte er es sich.
    War nicht der Tod die einzige Chance, Navra noch einmal wiederzusehen? Ihr weiter nahe zu sein?
    Sie erneut berühren zu können, selbst wenn sie beide dann nichts mehr waren, was greifbaren Halt bot?
    Eine halbe Ewigkeit verstrich. Der Mathematiker spürte den Druck auf seinem Geist, bemerkte das Ziehen in seinem Bewusstsein, ahnte mehr, als dass er es wusste, wie die Ohnmacht nach ihm griff.
    Der Schatten lag über ihm und wollte nicht weichen. Postal Evvy hörte den schnaufenden Atem, der in seinem Gehör widerhallte und der nicht leiser wurde -bis er irgendwann erkannte, dass er selbst es war, den er so deutlich vernahm.
    Und immer wieder Gedanken an Tod und Verlust. Und an Wut, Angst, Schmerz, Dunkelheit, die ihn erwartete, falls der Schatten nie mehr weichen wollte ...
    Dann war es auf einmal vorbei. Die unsichtbare Klaue, die ihn niedergedrückt hatte, wich, als habe es nie die unheimliche Bedrohung gegeben.
    Postal Evvy atmete zitternd durch. Dann hob er vorsichtig das Gesicht, das ihm auf einmal nicht mehr wie zerschmettert vorkam. Alles war nur seiner Einbildung entsprungen. Langsam richtete er sich auf, rückte seinen Spender gerade.
    Taumelnd kam Postal Evvy auf die Beine, blickte sich kurz um. Keine düstere Gestalt war mehr zu sehen, von der eine eisige Ausstrahlung ausging, kein Geräusch war mehr zu hören. Selbst das allgegenwärtige Summen der Maschinen schien verstummt zu sein.
    Durchsichtige Formenergiewände trennten die Halle in verschiedene Arbeitsbereiche ab. Gigantische Arbeitsfläche .erstreckten sich über Hunderte von Metern. Teilweise flimmerten noch die Hologramme über ihnen, sprachen computergesteuerte Anlagen zu den Benutzern, die nicht mehr antworten konnten.
    Und überall lagen tote Dhyraba'Katabe. Sie waren in allen Stellungen gestürzt, über Arbeitsflächen und Sitzgelegenheiten, auf Formenergietafeln und auf den Metallplast. Vor Grauen verzerrte Gesichter, deren Augen sich in die Unendlichkeit richteten, starrten zur Decke der Arbeitshalle.
    Der Geruch des Zuuy, das aus Hunderten von Spendern gelaufen war und überall den Boden besudelte, hing wie eine Wolke in der Luft. Postal atmete flach, wollte nicht, dass sich seine Sinne erneut vernebelten. Langsam bewegte er sich nach vorne, Schritt um Schritt, als könne er das Meer der Toten um sich herum noch gar nicht wahrhaben.
    Dann erstarrte er. „Navra", flüsterte er.
    Sie lag keine fünf Schritte von ihm entfernt in sonderbarer Haltung am Boden zwischen Scherben.
    Zuuy hatte sich um ihren Körper wie ein See verteilt. Die verbogenen Drähte des Spenders ragten empor, waren verworren, als habe sie jemand in unbändiger Wut zusammengeknüllt.
    Irgendetwas war zu Bruch gegangen. Säureartige Flüssigkeiten hatten sich miteinander vermengt und flössen um die reglose Gestalt. Dort, wo sie Navra berührten, kräuselten sich Dämpfe nach oben. Ätzender Geruch lag in der Luft.
    Noch bevor er neben Navra kniete und seine Hände suchend über ihren Anzug gleiten ließ, wusste er, dass jede Hilfe und jede Hoffnung zu spät kam.
    Der Souverän der Vernunft war durch die Halle gewandelt. Er hatte sich genommen, was sein Recht war.
    Ein beliebiges Leben unter so vielen anderen, die er schon ausgesaugt, misshandelt und gequält hatte.
    Warum?, schrie Postal dem fliehenden Schatten lautlos hinterher. Warum hast du nur sie genommen - und nicht auch mich?
    Er würde den Inquisitor ewig hassen -wenngleich es ihm in diesem Moment noch nicht bewusst
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