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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari
Autoren: Christian Schwarz
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denn sie gab sich als Prinzessin Puduchepa aus, der es gelungen war, aus ägyptischer Gefangenschaft zu fliehen. Nun, sagte sie, wolle sie in die Hauptstadt Hattuscha zurück, um ihrem Vater, dem Großkönig Murschili, Bericht zu erstatten.
    Niemand zweifelte an ihrer Geschichte, die sie in perfektem Nesili, wie die Hethiter ihre Sprache nannten, vortrug. Und so durfte sie mit einer von Soldaten bewachten Handelskarawane nach Hattuscha ziehen.
    Als E’fah nach vielen Reisetagen die hethitische Hauptstadt sah, wurde ihr warm ums Herz. Noch immer schmiegte sich Hattuscha wie der Horst eines Adlers an die steilen Berge. Stark. Unbezwingbar. Göttlich. Die wunderbaren ägyptischen Bauten in allen Ehren; aber E’fah hielt die Schrecken erregenden, aus behauenen Steinblöcken hochgezogenen Mauern und Bauten, die unüberwindlich wie Berge erschienen, für das weitaus größere Wunder. Keine Macht der Welt würde dieses Bollwerk je erstürmen können.
    Noch immer hatte der Großkönig die Stadt für alle Fremden, mit Ausnahme der Gesandten der Herrscher, abgeschlossen. Als Nicht-Hethiterin hätte E’fah niemals die Stadt betreten können, nicht einmal auf geheimen Pfaden. So aber kam sie ohne Probleme durchs Löwentor, durch das auch ein Gigant hätte gehen können. Sofort fühlte sich E’fah wohl in der Stadt der tausend Götter unter den Zehntausenden von Hethitern, die bunt gekleidet die Straßen bevölkerten. Sie genoss die eisigen Winde, die durch die Straßen fegten, und die dunklen Gewitterwolken, die am Himmel dräuten.
    Nefertari wurde von Soldaten zum Palast des Großkönigs geleitet. Sie bat darum, sich schön machen zu dürfen, bevor Murschili sie empfing. Es wurde ihr gewährt. So ließ sie sich von Sklavinnen waschen und salben und schminkte sich dann so, dass sie der ehemaligen Prinzessin Puduchepa so ähnlich wie möglich sah. Das konnte durchaus gelingen, denn seit der Entführung der hethitischen Prinzessin waren mehr als vierzehn Jahre vergangen und Puduchepa hatte ohnehin nicht zu Murschilis bevorzugten Kindern gehört. Er würde sich höchstens an ihren Namen erinnern, an mehr nicht.
    Und so kam es auch. Murschili, ein älterer Mann mit knielangem, zu Hunderten von Locken ondulierten Bart, begrüßte sie freudig und fragte sie über Ägypten aus. Nefertari erzählte ihm viel Wahres, aber bei den wichtigen Dingen das genaue Gegenteil der Wahrheit. Dann bekam sie neue Gemächer zugewiesen, denn die alten waren längst von einer anderen Prinzessin besetzt.
    Mitten in der Nacht stand Nefertari auf. Sie kannte sich bestens im Palast aus und erreichte ungesehen ihre ehemaligen Gemächer. Im Schein brennender Fackeln, die warmes Licht verbreiteten, ging sie ins Badezimmer. Dort zog sie einen Eisendolch und hob damit eine bestimmte Bodenplatte hoch. Ihr Herz klopfte dabei heftig. Würde sie erfolgreich sein? Oder war das, was sie suchte, durch einen dummen Zufall längst entdeckt worden?
    Es war noch da! Nefertari seufzte erleichtert. Die beschwerliche Reise war nicht umsonst gewesen. Sie nahm den Gegenstand an sich und schob ihn unter ihr buntes, bodenlanges Gewand.
    »Was tust du da? Wer bist du?«
    Nefertari fuhr herum. Prinzessin Schubba stand im Bad und sah sie drohend an. Sie hatte die hässliche, beleibte Frau nicht kommen hören.
    Nefertari lächelte verlegen. »Oh, entschuldige, ich wollte dich nicht stören. Ich bin Puduchepa und habe einst hier gewohnt. Und ich wollte mir holen, was mir gehört.«
    Schubba verzog das Gesicht. »Ich habe von deiner Ankunft gehört. Aber warum kommst du mitten in der Nacht hierher? Und ohne dass ich es wissen soll? Welcher böse Dämon ist dir in den Leib gefahren?« Sie schaute neugierig. »Was hast du da?«
    »Ich zeige es dir. Da, schau.« Nefertari trat vor Schubba und zog ihr blitzschnell den Dolch über die Kehle.
    Blut spritzte aus der klaffenden Wunde, die von einem Ohr zum anderen reichte. Die Prinzessin gurgelte, verdrehte die Augen und sackte zusammen. Nefertari aber ging in ihre Räume zurück, reinigte sich und wartete auf den nächsten Tag. »Um den Frieden dauerhaft bewahren zu können, muss gelegentlich Blut fließen«, sagte sie zu sich.
    Die Aufregung im Palast hielt sich in Grenzen, als Schubbas Leiche von einer Dienerin gefunden wurde. Denn wie einst Puduchepa hatte Schubba keine Rolle in Murschilis Leben gespielt. Selbst wenn Nefertari als Mörderin entlarvt worden wäre, hätte sie nicht um ihr Leben fürchten müssen. Denn die hethitischen
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