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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari
Autoren: Christian Schwarz
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büßen, Ptahor. Und auch du, Thotmes, der du dieses widerliche Gerede nicht unterbunden hast, verwirkst hiermit dein Leben.«
    Der alte Lehrer begann zu zittern. Er warf sich vor Nefertari in den Staub. »Gnade, Prinzessin«, wimmerte er. »Ich wusste nicht, was er sagen wird, somit konnte ich es auch nicht unterbinden. Der Arzt Sinut-Re ist mir nicht einmal ein Begriff, ich habe in meinem langen Leben noch niemals von ihm gehört.«
    Nefertari setzte ihren mit einer goldenen Sandale bekleideten Fuß an seinen Schädel und stieß zu. Einen lauten Schmerzensschrei ausstoßend, wurde der alte Lehrer nach hinten geschleudert, krachte mit dem Rücken gegen den Stamm der Sykomore und rutschte daran herunter. Blut lief aus seinem Mundwinkel.
    »Lügner!« Die schrille Stimme der Prinzessin brach sich an den umliegenden Tempelmauern. »Gibt es nicht unter den zahlreichen Papyri der Tempelbibliothek das Werk eines gewissen Thotmes, der sich kritisch mit den Philosophien des Sinut-Re auseinandersetzt und sie in einem mehrseitigen Kommentar verdammt?«
    »Das… das kannst du unmöglich wissen«, flüsterte Thotmes, der furchtbare Schmerzen litt. »Nur wenige kennen dieses Werk, das in einer der sieben geheimen Kammern ruht. Und noch weniger Menschen verstehen es. Du bist noch viel zu jung dafür… Und was hast du in den geheimen Kammern zu schaffen, die Schülern verboten sind? Auch solchen von königlichem Geblüt…« Er keuchte. Die anderen Schüler saßen zu Statuen erstarrt, Ptahor war so weiß wie eine der Palastmauern im Sonnenlicht.
    »Zu jung? Bin ich das?« Nefertaris Augen verengten sich einen Moment. »Nun, dann erkenne, dass ich dein Werk gelesen und verstanden habe. Genauso, wie ich die Bücher Sinut-Res gelesen und verstanden habe. Nämlich als das, was sie in Wahrheit sind: Botschaften aus der Unterwelt, nur geschaffen dafür, die Menschen an der wahren Ordnung der Welt zweifeln zu lassen. Pharaonen sind Götter und keine Menschen. So war es immer und so wird es immer sein. Denn der Arzt Sinut-Re sagt auch: Die, die königlichen Geblüts sind, haben die Macht, ihren Hass zu befriedigen, und darin spricht er recht. Wisse noch etwas, Thotmes: Für alle, die königlichen Geblüts sind, gibt es von deinesgleichen keine Verbote.«
    »Wie schön sie ist in ihrem Zorn«, flüsterte Ramses, der die Szene fasziniert beobachtete. »Und wie klug. Zweifellos klüger, als ich es in ihrem Alter war. Was wird sie nun nach ihrer Drohung machen?«
    Für einen Moment spielte der Kronprinz mit dem Gedanken, einzugreifen, um Thotmes zu retten. Doch dann ließ er es, denn der Lehrer hatte seine Strafe zweifellos verdient. Zudem wollte er sehen, was Nefertari weiter unternahm. Leichte Enttäuschung breitete sich in ihm aus, als seine Halbschwester mit dem Fuß aufstampfte, ihre Tontafel auf Ptahors Kopf zerbrach und das Haus des Lebens verließ.
    Zwei Tage später war Ramses’ Welt wieder in Ordnung. Thotmes wurde mit aufgeschlitztem Leib in seinem Bett gefunden und Ptahors Leiche trieb zwischen den Nilbooten, die an den steinernen Uferkais gelöscht wurden. Ja, das hatte er von ihr erwartet und nichts anderes. Töricht wäre sie gewesen, hätte sie ihren Androhungen keine Taten folgen lassen. Aber Nefertari war von wahrhaft königlichem Geblüt. Mehr noch. Sie war zur Königin geboren. Als Herrscherin an seiner Seite.
    Ob sie es selbst getan hat? So, wie ich es getan hätte?
    ***
    Kiegal, Hauptstadt der Huutsi
    Zentralafra, Oktober 2523
    Drogbah sprang hoch und bekam die Kante der gut zwei Meter fünfzig hohen Bretterwand zu fassen. Sie schnitt in seine Handflächen, aber der fünfzigjährige Mann mit dem stark ergrauten Haarkranz ließ nicht los. Stöhnend zog er sich hoch, obwohl seine Muskeln bereits stark übersäuerten. Als er das rechte Bein über die Kante schwang, das linke nachzog und sich dann fallen ließ, stieß er kleine hechelnde Laute aus, die dem Klagen einer Hyeena glichen. Er stolperte, fiel hin, rappelte sich wieder hoch und taumelte mehr als dass er rannte zum Dschungel hinüber. Kalu und Bokah waren schon zu weit weg, die würde er nicht mehr einholen. Aber Atu-Ba, seinem Fähnleinführer, konnte er noch die Fersen zeigen!
    Drogbah mobilisierte die allerletzten Kräfte. Seine Augen traten fast aus den Höhlen, seine Brust fühlte sich an, als würde sie jeden Moment zerspringen. Er kam Atu-Ba, vier Jahre jünger als er, tatsächlich etwas näher. Aber es reichte nicht ganz. Der Fähnleinführer war zwei
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