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216 - Jenseits von Raum und Zeit

216 - Jenseits von Raum und Zeit

Titel: 216 - Jenseits von Raum und Zeit
Autoren: Jo Zybell
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seine Grenze – er offenbarte sein lebenslang gehütetes Geheimnis. Es ist möglich, glaube mir. Ich selbst teilte mein Hirn mein halbes Leben lang mit einem fremden Geist. Er hieß Maddrax und stammte aus der Zukunft dieses Planeten… [2]
    Es war ein Fehler gewesen, Ramyd’sam mit diesem Bekenntnis zu kommen, Gilam’esh merkte es sofort. Je länger er über Maddrax und das gemeinsame Leben mit ihm berichtete, desto sparsamer wurden Ramyd’sams Gesten und desto verschlossener seine Miene. Er glaubte ihm nicht. Schlimmer noch: Er glaubte, die lange Gefangenschaft im Raumzeittunnel hätte seinen Geist verwirrt.
    »Uns kann vieles widerfahren, wenn wir zu lange jenseits von Raum und Zeit wandern müssen, verehrter Meister«, sagte er schließlich vieldeutig. »Ich spreche mit dem Hohen Rat. Wir wollen sehen, was wir für dich tun können. Möglich wäre es, einen sterbenden Ditrydree hierher zu bringen, damit du seinen Körper übernehmen kannst, wenn sein Tod eintritt.«
    Resigniert stimmte Gilam’esh zu. Deutlich zurückhaltender, als er ihn begrüßt hatte, verabschiedete Ramyd’sam seinen ehemaligen Lehrer. »Möge die Geduld der Schöpfer niemals von dir weichen!«, rief er und verschloss die Membran über seiner Cockpithauttasche. Sein Dickzahn-Wulroch tauchte ab und Gilam’esh kehrte zurück in den Strahl.
    Eine Zeitlang wartete er an dessen Ausgang, ein paar Dutzend Längen unterhalb des energetischen Schattenfeldes eines gewaltigen Dickzahn-Wulrochs; die letzte Blaupause vor dem Ausgang des Tunnelfelds. Wie lange er hier wartete, vermochte Gilam’esh nicht zu sagen – doch als sich kein Ditrydree mehr in den Wogen zeigte, beschloss er, zum Rotgrund zurückzukehren.
    Er hatte einen neuen Plan gefasst: Es müsste doch möglich sein, einen der Westbarbaren in der Haupthöhle so nahe an das Tunnelfeld heranzulocken, dass seine Aura ihn überfallen und übernehmen konnte.
    Gilam’esh war entschlossen, es auszuprobieren. Er ließ sich in den Sog des Tunnelfeldes fallen und konzentrierte sich auf das Ziel: die Hauptgrotte der Tunnelfeldanlage. Der Sog des Zeitstrahls riss den Tunnelfeldmeister durch Zeiten und Räume. Eine ungeheure Kraft erfasste ihn, und grellbunte Lichter rotierten und strahlten wie tausend Sonnen.
    ***
    Irgendwo über dem Indischen Ozean, 2. April 2524
    »Nur diesen Frühling gönnt mir noch, ihr Götter, nur diesen einen Sommer noch, und vielleicht noch den Herbst und den Winter…!«
    Mit beschwörendem Tonfall redete der Seher das Fenster an, und den Abendhimmel dahinter. Oder sah Yann Haggard dort draußen jemanden, den nur er wahrnehmen konnte?
    »Ihr wandelt droben im Licht, Kukumotz und Konsorten! Auf weichem Boden, ihr besoffenen Geister, in parfümierter Luft und umgeben von Luxusnymphen! Doch wir sind verdonnert zu Kopfweh, Verstopfung und Hirntumor…!«
    So ging das schon seit Stunden.
    Manchmal, wenn der Seher seine Stimme hob, um seine komatösen Klagelieder mit anschwellender Stimme heraus zu jammern, blickte Matt von der Karte auf, und der Kaiser fuhr aus seinem leichten Schlaf hoch. Dann äugten sie besorgt, befremdet oder einfach nur genervt zu Yann Haggard hinüber und beobachten eine Zeitlang seine wilden Gesten, seinen hin und her schwankenden Oberkörper und seine bleiche, schweißnasse Miene; bis sie einander ansahen und ratlos mit den Schultern zuckten.
    Sie hatten einen der drei Ohrensessel losgeschraubt und vor das Fenster neben der Einstiegsluke gerückt. Dort saß Yann Haggard nun seit vier Tagen, lamentierte, gestikulierte und suchte – hoffentlich! – den Nachthimmel nach dem Strahl ab. Wahrhaftig: Er bot einen bedauernswerten, ja gespenstischen Anblick!
    Den zwölften Tag waren sie inzwischen unterwegs. Das Zielgebiet war längst erreicht. Und de Rozier blieben nur noch drei Tage, vielleicht weniger!
    Manchmal ertappte sich Matt Drax bei dem trüben Gedanken, irgendjemand auf dem Mars könnte das Raumzeitfeld abgeschaltet haben. Bis jetzt jedenfalls hatte Yann Haggard, der Energieseher, den Strahl noch nicht entdeckt.
    Und wenn er ihn in seinem aufdämmernden Wahnsinn einfach nur übersehen hatte? Matt Drax wagte nicht, diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
    »Hört mich an, heilige Wesen, hört zu!« Wieder blickte Matt Drax auf, denn Haggard schrie auf und streckte wie flehend beide Arme aus. »Nur diesen Frühling gönnt mir noch, nur diesen und vielleicht noch den nächsten…!« Die laute Stimme des Sehers ging in ein jämmerliches
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