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216 - Jenseits von Raum und Zeit

216 - Jenseits von Raum und Zeit

Titel: 216 - Jenseits von Raum und Zeit
Autoren: Jo Zybell
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schwarzen und weißen Wäschestücke, die de Rozier tagsüber in seinen Fracktaschen und des Nachts unter seiner Decke aufbewahrte. Matts Verdacht bestätigte sich: Hemdchen und Höschen einiger seiner Gattinnen.
    In Liebesdingen schien der Monarch nicht ganz so diskret zu sein wie im Hinblick auf seine Notdurft. Merkwürdig: Pilatre de Rozier blieben noch etwa sieben Tage, dann würde er rapide zu altern beginnen. Innerhalb kürzester Zeit würde der Kaiser dann verfallen und sterben. Falls sie den Raumzeittunnel nicht fanden. Falls er nicht ein zweites Mal den Strahl durchquerte. Und was tat der Mann? In erotischen Phantasien baden.
    Erschüttert und erheitert zugleich trat Matt Drax zurück an den Kartentisch. Ein seltsamer Bursche, dieser Mann aus dem 18. Jahrhundert. Andererseits: Konnte man angesichts des Todes eigentlich etwas Vernünftigeres tun als an seine Liebsten zu denken?
    Die Tür öffnete sich, de Rozier betrat wieder den Bugbereich. Als er Matts vergnügte Miene sah, zog er die Brauen hoch. »Darf ich deinen Gesichtsausdruck als Zeichen gesteigerter Zuversicht interpretieren, mon ami?«
    »Du darfst, Pilatre, du darfst.« Im gleichen Moment fing Yann Haggard wieder laut und feierlich an zu lamentieren: »Nur einen Sommer noch gönne, Heiliger Kukumotz, mir! Nur einen Herbst noch voll Liebe und süßem Gesang, damit williger dann mein Hirn, gesättigt von Liebe und Spiel, mir verrotte…!«
    ***
    Jenseits von Raum und Zeit
    Hin und her zwischen Räumen und Zeiten wanderte Gilam’esh im Tunnelfeld, vorbei an unzähligen energetischen Schattenfeldern von Reit- und Transportfischen, Materialcontainern und durch den Strahl gegangenen Ditrydree, wieder und wieder. Denn was immer in den Strahl geriet und von ihm transportiert wurde, hinterließ eine Art »Abdruck« darin, ein dreidimensionales Modell wie eine Blaupause.
    Der Strahl wand sich nicht nur vom Rotgrund zum dritten Planeten des Sonnensystems, sondern zugleich über fast zwei Milliarden Umläufe in die Zukunft hinein. (1,745 Milliarden Marsumläufe sind ungefähr 3,49 Milliarden Erdjahre)
    Weil der Tunnelfeldmeister die Kunst des Weltenwanderns beherrschte, konnte er sich körperlos im Strahl bewegen.
    Doch was nützte ihm seine Kunst? Er konnte den Strahl nicht mehr verlassen, er besaß ja keinen Körper mehr. Nun, jedenfalls konnte er sich nicht viel weiter als fünfzig Längen von ihm entfernen. Eine Distanz, die seine Aura auch früher schon hatte zurücklegen müssen, in der Testphase der Tunnelfeldanlage. Genau diese Strecke nämlich hatte er immer von der Liegequalle mit seinem zurückgelassenen Körper bis zum Tunnelfeld überwinden müssen.
    Der Sicherheitsabstand war nötig, denn in unmittelbarer Nähe des Strahls ließen die Tachyonen alles, was länger als ein paar Sekunden dort verharrte, rapide altern und zu Staub zerfallen!
    Die Schattenfelder der Angehörigen seines Volkes konnten ihm keine Gesellschaft sein, denn sie waren nur flackernde Überbleibsel der Lebenden, die einst durch das Tunnelfeld gegangen waren. Sie bewegten sich nicht, und schon gar nicht sprachen sie mit ihm. Gilam’esh mied sie, wenn er konnte, denn in ihnen und ihrer direkten Umgebung stand das Leben still und mit dem Leben die Zeit. Dazu kam, dass ihr Anblick nur das Gefühl der Einsamkeit in ihm verstärkte.
    So hielt sich seine Aura entweder sehnsüchtig am Zielpunkt des Tunnelfeldes auf und beobachtete, wie hin und wieder Angehörige seines Volkes auf ihren Reitfischen aus den Wogen des Meeres auftauchten. Oder aber sie schwebte schwermütig am Ursprungsort des Zeitstrahls und musste mit ansehen, wie die Westbarbaren, die Patrydree, die Tunnelfeldstation besetzten und die Haupthöhle bewachten.
    Wenigstens am Zielpunkt auf Ork’huz – auf der Erde, wie der Maddraxgeist den Zielplaneten genannt hatte – nutzte Gilam’esh den geringen Spielraum aus. Lange Zeit schwebte er über den Wogen des Ork’huz-Meeres und hoffte, dass jemand seine Aura erkennen würde. Waren es wenige Lichter, viele Monde oder gar ganze Umläufe, die er so über den Wassern schwebte und wartete, während die Oberfläche an ihm vorüber zog? Er wusste es nicht. Der Tunnelfeldmeister hatte das Gefühl für die vergehende Zeit verloren.
    Immer wieder tauchten die großen Reitfische aus den Wogen auf, und mit ihnen, in den Cockpithauttaschen hinter ihren Schädeln, die Besatzungen. Gilam’esh konnte weiter nichts tun, als zwischen Tunnelfeldausgang und Meeresoberfläche zu schweben.
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